eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 30/1

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
0101
2019
301 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Lernen mithilfe von Großprojekten

0101
2019
Timo Braun
Stephan Bohn
Cosima Gulde
Nele Heik
Das Management von Stakeholdern ist eine zentrale Aufgabe eines erfolgreichen Projektmanagements. Um diese Kompetenz zu vermitteln, haben Prof. Timo Braun und Dr. Stephan Bohn an der Freien Universität Berlin ein neues interaktives Lehrformat konzipiert. Der Artikel stellt das Format vor und beschreibt in neun Punkten, wie Multi-Stakeholdermanagement sowohl auf einer inhaltlichen als auch einer Prozess- und Methodenebene durch die Verbindung von Theorie und Praxis vermittelt werden kann. Das Konzept basiert auf der universitären Lehre, eignet sich darüber hinaus aber auch für die Aus- und Weiterbildung im Projektmanagement.
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PM-Ausbildung im Multi-Stakeholdermanagement: Lernen mithilfe von Großprojekten Das Management verschiedener Anspruchsgruppen ist insbesondere bei Großprojekten eine zentrale und erfolgsentscheidende Aufgabe des Projektmanagements. Um diese Kompetenz zu vermitteln, haben Prof. Timo Braun und Dr. Stephan Bohn an der Freien Universität Berlin ein neues Lehrformat konzipiert. Hierbei geht es nicht um die Vermittlung theoretischer Konzepte des Projektmanagements, sondern um das Erfahren von Multi-Stakeholdermanagement in der Praxis. Die Lehrveranstaltung ist auf größtes Interesse bei den über 100 Teilnehmern/ -innen gestoßen. Trotz dieser hohen Teilnehmerzahl gelang es, ein interaktives Lehrformat mithilfe von Projektgruppen zu entwickeln, das sich auch über die universitäre Lehre hinaus für die Aus- und Weiterbildung im Projektmanagement eignet. Im Mittelpunkt der Veranstaltung steht einerseits das Realisieren eines eigenen Projektes mit allem was Projektarbeit auszeichnet, vom Einsatz spezifischer Planungstechniken über gruppendynamische Prozesse in heterogenen und interdisziplinären Teams, Führung von Teams mit Doppelspitze, Handhabung von Konflikten bis hin zu einem gewissen Zeit- und Leistungsdruck vor Meilensteinterminen. Andererseits steht die Analyse der Multi-Stakeholder-Verflechtungen beim Großprojekt Flughafen BER im Zentrum des inhaltlichen Interesses. Demzufolge werden die Herausforderungen des Multi-Stakeholdermanagements aus der eigenen und einer beobachteten Perspektive plastisch, wodurch die Teilnehmer eine doppelte Lernerfahrung haben. Während in der letzten Ausgabe von projektManagement aktuell bereits über die inhaltlichen Ergebnisse des Projektes „Flughafen BER“ berichtet wurde [1], legt der vorliegende Beitrag den Fokus darauf, wie Multi-Stakeholdermanagement in der Aus- und Weiterbildung als Interessen umzugehen. Mitunter beinhaltet die Gemengelage der Interessen auch ein erhebliches Konfliktpotenzial innerhalb der entsprechenden Projekte und kann den Projekterfolg, beispielsweise mit Blick auf Verzögerungen und Mehrkosten, maßgeblich beeinflussen. Der Flughafen BER stellt ein mustergültiges Beispiel für die enormen Anforderungen an ein erfolgreiches Stakeholdermanagement dar, denn die Vielfalt und Komplexität der Anspruchsgruppen ist hier besonders ausgeprägt. Dies beginnt schon bei der besonderen Eigentümerstruktur mit zwei Bundesländern (Berlin und Brandenburg) sowie dem Bund, über Partikularinteressen verschiedener Bürgerinitiativen, unzähliger betroffener Geschäftspartner wie Fluggesellschaften, Gastronomie, Einzelhandel oder Dienstleister wie Ground-Handling, Catering etc. Hinzu kommen die Betreibergesellschaft des Flughafens und insbesondere dessen medial sehr im Fokus stehende Geschäftsführung, der teilweise politisch besetzte Aufsichtsrat sowie die Beteiligten des eigentlichen Bauprojektes, von Architekten und Planern über verschiedene Baugewerke bis hin zu staatlichen Kontrollorganen. Durch planerische Fehler in Kombination mit Dynamiken, die auf spezifische Interessen einzelner Stakeholder zurückgehen, kam es bis dato zu erheblichen Mehrkosten und Verzögerungen von nahezu zehn Jahren. Vor diesem Hintergrund verfolgt das Lehrformat zwei Ziele: Erstens sollen die grundlegenden Methoden des Multi-Stakeholdermanagements vermittelt werden und zweitens die Teilnehmer praktische Fähigkeiten entwickeln, die in der realen Projektarbeit unerlässlich sind. In der konkreten Umsetzung an der Freien Universität Berlin haben die Studierenden so unter anderem ein eigenes Teilprojekt gesteuert und selbstständig Recherche- und Analysetätigkeiten zum Multi-Stakeholdermanagement umgesetzt. Insbesondere wurden >> Für eilige Leser Das Management von Stakeholdern ist eine zentrale Aufgabe eines erfolgreichen Projektmanagements. Um diese Kompetenz zu vermitteln, haben Prof. Timo Braun und Dr. Stephan Bohn an der Freien Universität Berlin ein neues interaktives Lehrformat konzipiert. Der Artikel stellt das Format vor und beschreibt in neun Punkten, wie Multi-Stakeholdermanagement sowohl auf einer inhaltlichen als auch einer Prozess- und Methodenebene durch die Verbindung von Theorie und Praxis vermittelt werden kann. Das Konzept basiert auf der universitären Lehre, eignet sich darüber hinaus aber auch für die Aus- und Weiterbildung im Projektmanagement. elementarer Teil des Projektmanagements vermittelt werden kann. Der Flughafen BER als Studienobjekt Die meisten Großprojekte wie der Flughafen BER sind gekennzeichnet durch eine Vielzahl an betroffenen Personen oder Personengruppen, die typischerweise pauschal als Stakeholder bezeichnet werden. Dies stellt das Projektmanagement vor die Herausforderung, mit sehr unterschiedlichen und oft widersprüchlichen Autoren: Timo Braun, Stephan Bohn, Cosima Gulde, Nele Heik 36 WISSEN projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2019 aussagekräftige „Personae“, also ein Steckbrief pro Stakeholdergruppe, entwickelt werden. Diese Methode ist insbesondere im Bereich des Marketings üblich, um bestimmte Kundengruppen und ihre Bedürfnisse besser zu verstehen, eignet sich aber gleichsam auch für die Analyse von spezifischen Stakeholderinteressen. 3. Sensibilisierung für unterschiedliche Stakeholderpositionen durch ein „World Café“: Da die Kleingruppen sich in der Zwischenzeit intensiv mit jeweils einer Stakeholdergruppe auseinandergesetzt und eine Persona erstellt haben, ist es bei der nächsten Sitzung erforderlich, die Gruppen wechselseitig für die verschiedenen Stakeholderinteressen zu sensibilisieren. Hierzu wird eine Variante der World-Café-Methode eingesetzt. Dabei bleibt jeweils eine Person pro Gruppe (der sogenannte „Host“) am eigenen Tisch stehen, während die übrigen Gruppenmitglieder zu den anderen Hosts rotieren, um sich über die Personae der weiteren Gruppen zu informieren. Hierdurch wird erstmalig der Blick geöffnet für sowohl homogene als auch potenziell gegenläufige Interessenlagen. Dieses Verständnis ist ein sehr wichtiger Schritt, um später überhaupt eine bestimmte Haltung und einen Umgang mit den Interessen abzuleiten. 1. Konzeptionelle Basis schaffen durch „Textpatenschaften“: Zunächst können die Teilnehmer/ -innen in Projektgruppen jeweils einen Fachartikel zum Multi-Stakeholdermanagement auswählen, um diesen in der nachfolgenden Sitzung im Plenum vorzustellen. Hierbei wurden Artikel vorselektiert, die entweder den Prozess des Multi-Stakeholdermanagements betreffen und die Einflussmöglichkeiten von Stakeholdern in unterschiedlichen Phasen des Projektablaufes thematisieren [2] oder die Vernetzung zwischen verschiedenen Stakeholdern [3] bzw. die Bedeutung von Online-Beteiligungsplattformen [4] in den Blick nehmen. 2. Profile von Stakeholdern verstehen mithilfe von „Personae“: In der darauffolgenden Sitzung erhalten die Teilnehmer/ -innen die Aufgabe, die Analyse eines spezifischen Stakeholderprofils vorzubereiten. Hierzu werden die Teilnehmer/ -innen - erneut in Projektgruppen - dazu angehalten, Arbeitshypothesen zu jeweils einer Stakeholdergruppe zu entwickeln und einen Interviewleitfaden vorzubereiten. Der Interviewleitfaden verfolgt das Ziel, einerseits eine Überprüfung der Arbeitshypothesen zuzulassen, andererseits dient der Leitfaden auch dazu, den inhaltlichen Fokus aller Projektgruppen zu harmonisieren. Letztlich sollen auf der Basis der Interviews Interviews mit den wichtigsten Stakeholdern des BER vorbereitet, geführt und analysiert. Für die Interviews konnten namhafte Vertreter von politischen Parteien, Medien, Bürgerinitiativen, Planern und Fluggesellschaften gewonnen werden, die die Entwicklungen am BER beeinflusst haben und dies noch weiterhin tun. Das Lehrformat folgt dabei der folgenden Struktur: Erstens wird das Lernen von Multi-Stakeholdermanagement auf einer inhaltlichen Ebene angesiedelt, d. h., es wird eine Wissensbasis erarbeitet und dieses Wissen wird auf das Fallbeispiel angewandt. Zweitens findet Lernen auch auf einer Prozessebene statt und die Teilnehmer/ -innen realisieren ein eigenes Projekt. Dadurch können die theoretischen Ansätze auch anhand einer eigenen Projektarbeit auf der praktischen Ebene reflektiert werden. A) Lernen auf der Inhaltsebene Um den Einflüssen von Stakeholdergruppen stärker lenkend begegnen zu können, ist besonders bei Großprojekten von Planungsbeginn bis zur Projektumsetzung ein umfangreiches Multi- Stakeholdermanagement sinnvoll und notwendig. Um für die Anforderungen und Ausgestaltungsmöglichkeiten bereits in der frühen Projektmanagementausbildung zu sensibilisieren, wurde der folgende didaktische Ablauf, bestehend aus fünf Prozessschritten, entwickelt: Abb. 1: Flughafenplaner Faulenbach da Costa im Interview mit Studierenden; Foto: Freie Universität Berlin WISSEN 37 projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2019 moderieren. Hierbei wird das Ziel verfolgt, kollaborative Räume zu öffnen. Es sollen also Kompromisslinien ausgemacht werden, bei denen alle Stakeholder partizipieren und nicht als Verlierer vom Felde gehen. Nicht alle Konflikte lassen sich im Einvernehmen lösen, mindestens sollten die Stakeholder aber nachvollziehen können, dass ihr Gruppen. Dies führt dazu, dass in jeder Gruppe nun alle Stakeholderperspektiven repräsentiert sind. In diesen Gruppen stellen die Mitglieder nun erneut die Zwischenergebnisse zu den einzelnen Stakeholdergruppen vor. Daran anschließend übernimmt ein vorher festgelegter Moderator in den Gruppen die Funktion, eine Diskussion zu 4. Erschließung kollaborativer Räume durch „Gruppenpuzzle“: Die daran anschließende Sitzung steht im Lichte einer konstruktiven Auseinandersetzung mit gegenläufigen Interessen verschiedener Stakeholder. Im Rahmen des Gruppenpuzzles werden neue Gruppen formiert, die sich zusammensetzen aus jeweils einer Person aus den vorherigen Abb. 3: Umsetzung des Gruppen-Puzzles; Foto: Freie Universität Berlin Abb. 2: Umsetzung des World Cafés mit rund 100 Teilnehmern; Foto: Freie Universität Berlin 38 WISSEN projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2019 men auch - wie oben schon erwähnt - einige der Interviewpartner und namhafte Experten/ innen teil, die auch im Rahmen zweier Podiumsdiskussionen mit den Studierenden über die Ergebnisse diskutierten. Neben der inhaltlichen Aufarbeitung der Stakeholderthematik rund um den Flughafen BER verfolgt das Lehrkonzept auch das Ziel, den Studierenden auf der Prozess- und Methodenebene Projektmanagement- B) Lernen auf der Prozess- und Methodenebene Die über 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden im Rahmen der Lehrveranstaltung in 20 Teilprojektteams eingeteilt. Jedes Team war dabei für die Analyse einer bestimmten Anspruchsgruppe zuständig (verschiedene politische Parteien, Medien, Bürgerinitiativen, Fluggesellschaften, Ingenieurbüros etc.). Das Ziel bestand darin, den Einfluss der jeweiligen Anspruchsgruppe auf den Projektverlauf nachzuweisen. Die Datengrundlage umfasste einerseits eigene Recherchearbeiten der Studierenden in öffentlich zugänglichen Quellen (z. B. Internetrecherche, Pressemitteilungen, aber auch der Bericht des Untersuchungsausschusses zum Flughafen BER) und andererseits persönliche Interviews mit Vertretern jeweils einer Stakeholdergruppe. Hierbei sollte auch der Frage nachgegangen werden, wie verschiedene Anspruchsgruppen bei zukünftigen Projekten nachhaltiger eingebunden werden können. Die Projektteams haben im Rahmen von drei Meilensteinterminen ihre Zwischenergebnisse im Plenum vorgestellt und konstruktives Feedback erhalten. Zudem hat jedes Teilprojektteam insgesamt drei Blog-Beiträge und ein wissenschaftliches Poster erstellt (siehe: https: / / blogs. fu-berlin.de/ ber). Ein studentisches PR-Team hat die Diffusion der Forschungsergebnisse über Social-Media-Kanäle, Pressemitteilungen und Radiointerviews ermöglicht. Die Gruppenergebnisse wurden darüber hinaus in einem moderierten Prozess aggregiert und im Rahmen einer öffentlichen Vernissage vorgestellt. Hieran nahberechtigtes Anliegen gehört wurde und damit umgegangen wird. Insofern können die genannten kollaborativen Räume sehr unterschiedlich aussehen und sind nur in einer solchen Form der Zusammenarbeit aufzuspüren. 5. Gestaltung eines diskursiven Prozesses durch „Vernissage mit Podium“: Nach einer erneuten Arbeitsphase in den Gruppen treffen sich die Teilnehmer im Rahmen der letzten Sitzung zu einer Vernissage mit kombinierter Podiumsdiskussion. Hierbei steht das Lernziel im Mittelpunkt, dass Stakeholdermanagement ein fortwährender Prozess ist, der in seltenen Fällen abschließend und in wechselseitigem Einvernehmen ausgeht. Vielmehr geht es darum, im Projektverlauf auch sich verändernde Bedingungen aufzunehmen und Dynamiken zu nutzen, um im gemeinsamen Diskurs für die Beteiligten tragfähige Lösungen zu finden. Bei dieser Veranstaltung stellen die Projektgruppen ihre Ergebnisse in Form eines wissenschaftlichen Posters vor. Darüber hinaus wurden die betroffenen Stakeholdergruppen zu diesem Termin eingeladen. Mithilfe der Poster und bei mehreren Podiumsdiskussionen wurden die Stakeholder mit den Projektergebnissen konfrontiert und darauf basierend wurden Facetten des Multi-Stakeholdermanagements weiterführend diskutiert. Mit Blick auf den Flughafen BER blieb es dabei nicht aus, auch Missstände im bisherigen Projektverlauf zu thematisieren und vorsichtige Prognosen für die Zukunft des Projekts abzugeben. Abb. 4: Poster-Session im Rahmen der Abschlussvernissage; Foto: Freie Universität Berlin Der Benchmark für Ressourcenplanung Projektportfolio-Management Ressourcenplanung Zeit-/ Aufwanderfassung Kostenmanagement Projektplanung Die Testumgebung in der Cloud steht für Sie bereit Scheuring AG CH-4313 Möhlin � +41 61 853 01 54 www.scheuring.ch � info@scheuring.ch www.ressolution.ch Anzeige WISSEN 39 projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2019 tisch macht. Schlussfolgernd haben wir damit ein interaktives Lehrformat konzipiert, das sich auch über die universitäre Lehre hinaus hervorragend für die Aus- und Weiterbildung im Projektmanagement eignet.  Literatur [1] Braun, T./ Bohn, S./ Gaschler, L.-M.: „Lehren aus dem BER“: Eine Stakeholder-Perspektive auf das Scheitern von Großprojekten. In: projektManagement aktuell 5/ 2018, S. 30-33 [2] Aaltonen, K./ Kujala, J.: A project lifecycle perspective on stakeholder influence strategies in global projects. In: Scandinavian Journal of Management, 2, 4, 2010, S. 381-397. Eskerod, P./ Vaagaasar, A. L.: Stakeholder management strategies and practices during a project course. In: Project Management Journal, 45, 5, 2014, S. 71-85 [3] Roloff, J.: Learning from multi-stakeholder networks: Issue-focused stakeholder management. In: Journal of Business Ethics, 8, 1, 2008, S. 233-250. [4] Van den Ende, L./ van Marrewijk, A.: Perspectives in Metropolitan Research - Rebalancing the disturbance: Shock-absorbing platforms in urban mega-projects. In: Perspectives in Metropolitan Research - Self induced Shocks: Mega projects and urban development. Jovis, Berlin 2015 [5] Braun, T.: Kooperatives Verhalten in interorganisationalen Projekten - Eine konzeptionelle und empirische Weiterentwicklung des OCB- Ansatzes. Nachdruck, Springer Gabler, Wiesbaden 2018 Schlagwörter Anspruchsgruppen, Ausbildung, Großprojekte, Qualifizierung, Stakeholder, Weiterbildung Kompetenzelemente der ICB 4.0 2.07 Konflikte und Krisen; 3.12 Stakeholder len zum Tragen. So wurde pro Gruppe auf freiwilliger Basis ein Projektleiter oder eine Projektleiterin bestimmt. Große Gruppen wurden mit einer Doppelspitze besetzt. Die Erfahrung, in einer spezifischen Rolle als Gruppenmitglied oder Gruppenleitung zu arbeiten, bringt bestimmte Herausforderungen und auch Erfahrungen mit sich. Insbesondere bei der Entstehung von und dem Umgang mit Konfliktsituationen, aber auch der praktischen Handhabung von Führung haben die Studierenden handlungspraktische Fähigkeiten erworben. Um die Projektleiterinnen und Projektleiter mit dieser Verantwortung nicht alleinzulassen, wurde ein spezielles Coaching angeboten. Hierbei konnten sie Beispiele und Fallsituationen aus ihrer Gruppe einbringen und in einer kollegialen Beratung darüber reflektieren. Nicht zuletzt gelang so auch eine zusätzliche Synchronisation zwischen den Teilprojektteams. 4. Dynamiken der Gruppenarbeit: Im Zuge der beschriebenen Führungssituationen und Rollenverteilungen innerhalb der Teilprojekte durchlaufen die Projektgruppen typische Entwicklungspfade, wie sie auch in Projekten der Unternehmenspraxis zu beobachten sind. Klassisch dauert es zu Beginn sehr lange, bis die Gruppe zueinander gefunden hat und sich Rollen und Normen etablieren. Erst nach etwa der Hälfte der sehr kurzen Projektlaufzeit sind die meisten Projektteams in eine Hochleistungsphase eingetreten, in der die Mehrzahl an tangiblen Arbeitsergebnissen wie beispielsweise das Ergebnisposter oder die Blog-Beiträge entstanden sind. Das Erfahren gruppendynamischer Prozesse war in diesem Zusammenhang eines der zentralen pädagogischen Ziele dieses Lehrkonzeptes. Fazit Das Management verschiedener Anspruchsgruppen ist eine zentrale und erfolgsentscheidende Aufgabe des Projektmanagements. Um diese Kompetenz zu vermitteln, ist neben dem theoretischen Wissen insbesondere das praktische Erfahren wichtig, das in dem hier vorgestellten Lehrformat auf zwei Ebenen vermittelt wird: Erstens realisieren die Teilnehmer ein eigenes Projekt und zweitens reflektieren sie ein komplexes Großprojekt, das die Herausforderungen eines Multi-Stakeholdermanagements plaskompetenzen zu vermitteln. Damit gemeint ist nicht das bloße Zurverfügungstellen von explizitem Lehrbuchwissen, sondern der Erwerb von Fähigkeiten, die im Projektmanagement erforderlich sind. Ein solcher Fähigkeitserwerb ist nur durch das eigene Tun und Erfahren möglich. Im Rahmen der eigenen Projektarbeit sollten vor diesem Hintergrund spezifische Anforderungen von den Studierenden bewältigt werden, die auch in realen Projekten der Unternehmenspraxis regelmäßig auftreten. Dies betrifft beispielsweise auch, kooperative und extraproduktive Verhaltensweisen von Teammitgliedern kennenzulernen, ebenso wie mikropolitisch geleitete Handlungen und Konkurrenzverhalten [5]. Das Lehrformat ist dabei so konzipiert, dass folgende Facetten von Projektarbeit von den Teilprojektteams erfahren werden: 1. Entwicklung analytischer Fähigkeiten: Die Gruppenarbeit beinhaltet verschiedene analytische Vorgänge, wie etwa die Desktop- Recherche von Informationen zur entsprechenden Stakeholdergruppe und auch die Strukturierung, kritische Würdigung und Einordnung der jeweiligen Quellen. Hinzu kommt, dass die Gruppen Interviews mit einem Repräsentanten der Stakeholdergruppe vorbereiten mussten, das heißt, es kommen hierbei Techniken der Interviewführung und -auswertung zum Einsatz. Speziell zu diesem Thema wurde im Rahmen der Lehrveranstaltung ein Exkurs angeboten, um eine Auswahl solcher Techniken kennenzulernen. 2. Steuerung durch Ziele: Die Gruppenarbeit wird angeleitet durch ein übergreifendes Projektziel, das im Zusammenhang mit einem besseren Verständnis von Multi-Projektmanagement in Großprojekten am Beispiel des Flughafens BER besteht. Zudem erfolgt die Steuerung der Gruppen über drei Meilensteine, zu denen die Teams Berichte abgeben müssen und zugleich konstruktives Feedback für den nächsten Arbeitsabschnitt erhalten. Die Aufgabenverteilung auf die Mitglieder und auch die Arbeitsorganisation wird dabei komplett auf die Gruppen übertragen. Diese müssen sich selbstorganisatorisch als teilautonome Teams organisieren und dabei die Verantwortung für das Projektziel ausüben. 3. Erleben von Führung, Rollenwahrnehmung und Konflikten: Auch in den studentischen Projektteams kommen typische Rol- 40 WISSEN projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2019 Autoren Prof. Dr. Timo Braun ist Inhaber der Juniorprofessur für Projektmanagement an der Freien Universität Berlin und hat für seine Forschung den Global Research Award 2018 der IPMA gewonnen. Im Sinne eines erfolgreichen Wissenstransfers in die Praxis ist er zudem als freiberuflicher Berater und Trainer für namhafte Kunden tätig. Anschrift: Timo.Braun@fu-berlin.de Dr. Stephan Bohn ist Post-Doc am Management Department der Freien Universität Berlin und assoziierter Forscher am Wissenschaftszentrum Berlin (WZB). Neben dem Interesse an Projektmanagement beschäftigt er sich mit der Implementierung von Nachhaltigkeitskonzepten, z. B. im Rahmen von Energiewende und Elektromobilität. Anschrift: Stephan.Bohn@fu-berlin.de Cosima Gulde studiert im 5. Semester Betriebswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten Marketing und Management an der Freien Universität Berlin. Im Rahmen der Lehrveranstaltung war sie Projektleiterin eines Teilprojekts und profitierte dabei auch von ihren beruflichen Erfahrungen in der Immobilienentwicklung. Anschrift: Cosima.Gulde@gmx.de Nele Heik ist Bachelor- Absolventin des Studienganges „Betriebswirtschaftslehre“ mit den Schwerpunkten Management und Marketing an der Freien Universität Berlin. Im Projektmanagementkurs hat sie im Teilprojekt mitgearbeitet, das die Public Relations des Projekts steuert. Anschrift: Nele.Heik@web.de Anzeige BERUFSBEGLEITEND ZUM MASTER OF ARTS (M.A.) PROJEKTMANAGEMENT • Studium in nur 21 Monaten • International anerkannter Abschluss • Zulassung u.U. ohne Erststudium • Sonderkonditionen für Zertifizierungen • Kleine Gruppen INFOS & BERATUNG UNTER: business-school@tiba.de www.master.jetzt WISSEN 41