eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 30/3

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0886
UVK Verlag Tübingen
0501
2019
303 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Reines agiles Vorgehen kein „Allheilmittel“

0501
2019
Oliver Steeger
Marco Kuhrmann
Vielfalt statt reine Lehre: Unternehmen öffnen sich dem agilen Projektmanagement. Doch kaum jemand setzt die agile Methodik buchstabengetreu um. Stattdessen stoßen Forscher auf eine bunte Methodenmischung aus klassischen und agilen Ansätzen. Mit der agilen Herausforderung gehen Unternehmen sehr pragmatisch um – in einem Maß, wie es sogar die Autoren der HELENA­Studie (Hybrid DEveLopmENt Approaches in Software Systems Development) verblüfft hat. Demnach implementieren mehr als drei Viertel der Unternehmen bereits heute einen hybriden Prozess. „Wir sind davon ausgegangen, dass vielleicht die Hälfte der Unternehmen auf hybride Prozesse setzt, höchstens zwei Drittel“, berichtet Prof. Marco Kuhrmann (Universität Passau), einer der Studienautoren. Er liest daraus: „Reines agiles Vorgehen wird nicht als das Allheilmittel angesehen, als das es häufig verkauft wird.“ Im Interview erklärt Prof. Marco Kuhrmann, weshalb rein agiles Vorgehen für viele Unternehmen nicht infrage kommt, wie Unternehmen hybride Ansätze entwickeln – und wie sich die Rolle von Projektmanagern wandelt.
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40 Jahre GPM Die GPM feiert Jubiläum Was wünschen Sie der GPM zum 40-jährigen Vereinsbestehen? Ich wünsche der GPM zu ihrem 40-jährigen Jubiläum weiterhin viel Gespür und Geschick, die richtigen Antworten auf die Erfordernisse und Notwendigkeiten der Zeit zu entwickeln und zu geben. Welche Themen werden bei der Zukunftsgestaltung des Projektmanagements und der GPM, Ihrer Meinung nach, eine wichtige Rolle spielen? „Die einzige Konstante im Universum ist die Veränderung.“ Das sagte schon der griechische Philosoph Heraklit. Seit jeher gehört Veränderung zum Menschsein und zu jeder Gesellschaft. Gerade in der heutigen Zeit ist diese Veränderung durch Schnelligkeit geprägt. Das moderne Projektmanagement in seiner ursprünglichen Ausdrucksform, also als Instrument oder Werkzeugkasten für die Umsetzung von insbesondere technischen Ideen, gründet mit seiner deterministischen Haltung auf der Annahme stark kausaler Ursache-Wirkungs- Ketten. Diese können zuverlässig und einigermaßen vorausschauend geplant und anschließend kontrolliert umgesetzt werden. Das Paradigma „plan & control“ findet sich auch heute noch in weiten Teilen der Projektlandschaft. Doch gerade in den letzten Jahren erscheint das „plan & control“-Paradigma nicht mehr zeitgemäß in unserer Gesellschaft, die ständig schnellen und unvorhersehbaren Veränderungen ausgesetzt ist. Projektmanagement muss lernen, viel selbstverständlicher als heute mit volatilen, mehrdeutigen und unvorhersehbaren Rahmenbedingungen umzugehen. Wir müssen ein neues Paradigma „sense & response“ lernen. Ich bin überzeugt, dass die Entwicklung der Gesellschaft zunehmend von erfolgreichen Projekten abhängen wird. Deswegen sollte - auf der eben beschriebenen Basis - jeder Bürger in unserer Gesellschaft befähigt werden, seine In den vergangenen 40 Jahren hat die GPM einen maßgebenden Beitrag dazu geleistet, Projektmanagement aus einer Nische herauszuholen, und es zu dem gemacht, was es heute ist: eine ganzheitliche moderne Führungsmethode, die aus Wirtschaft, Gesellschaft und Wissenschaft nicht mehr fortzudenken ist. Ihr Jubiläumsjahr feiert die GPM mit mehreren Aktionen, darunter die Online-Kampagne #40JahreGPM. In den Kategorien „Meilensteine“, „Zukunft gestalten“ und „Gesicht zeigen“ bietet die Kampagne spannende Einblicke in vereinsprägende Ereignisse, die Vielfalt des Vereins und seiner Mitglieder und skizziert Zukunftsvisionen für die kommenden Jahre. Diesmal wagt Dr. Barbara Weis, Mitglied der Arbeitsgruppe „Werte in der Digitalen Transformation“ bei der Hanns-Seidel-Stiftung, einen Blick in die Zukunft des Projektmanagements. 04 40 JAHRE GPM projektManagementaktuell | AUSGABE 3.2019 Ideen mit den Instrumentarien des Projektmanagements zu verwirklichen. Und da kommt schon die zweite große Herausforderung: Es müsste ein Projektmanagement sein, das eine einfache Sprache spricht. Das heißt, dass es von allen angewandt werden kann. Ist diese Voraussetzung einmal gegeben, dann wird sich Projektmanagement in alle Gesellschaftskreise und in alle Themenbereiche ausdehnen, da es ein Werkzeug ist, das sich bestens für den Umgang mit den Rahmenbedingungen der modernen Gesellschaft eignet. #40JahreGPM Hier könnte auch Ihr Beitrag stehen. Gestalten Sie Zukunft! Was wünschen Sie der GPM zum Jubiläumsjahr? Welche Themen spielen Ihrer Meinung nach für die Zukunft des Projektmanagements und auch für die der GPM eine wichtige Rolle? Zeigen Sie Gesicht! Das Angebot der GPM ist vielseitig - das spiegelt sich auch in der Vielfalt ihrer über 8.000 Mitglieder wider. Zum Jubiläumsjahr sind alle Mitglieder eingeladen, „Gesicht zu zeigen“, um die zahlreichen Facetten des Vereins, aber auch die individuellen Gestaltungsmöglichkeiten innerhalb des Netzwerks aufzuzeigen. Werden Sie Teil der Online-Kampagne unter 40Jahre@gpm-ipma.de. Christian Fink ist Geschäftsführer des GPM Firmenmitglieds _fbeta. Seinen vollständigen Beitrag und viele weitere finden Sie auf den Social-Media-Kanälen der GPM sowie unter www.gpm-ipma.de/ jubilaeum. Den vollständigen Beitrag von Christopher Brauckmann und viele weitere finden Sie auf den Social-Media-Kanälen der GPM sowie unter www.gpm-ipma.de/ jubilaeum.  projektManagementaktuell | AUSGABE 3.2019 40 JAHRE GPM 05 Prof. Marco Kuhrmann Prof. Marco Kuhrmann lehrt und forscht an der Universität Passau. Sein Arbeitsschwerpunkt liegt auf der Methodik der Programm- und Systementwicklung sowie dem Prozess- und Qualitätsmanagement, insbesondere in der Konstruktion von hybriden Software- und Systementwicklungsprozessen, die Unternehmen dabei helfen, komplexe Produkte effizient und effektiv zu entwickeln. Marco Kuhrmann ist einer der Initiatoren der HELENA-Studie, in der bis zu 75 Wissenschaftler und Praktiker aus 25 Ländern die industrielle Praxis der Software- und Systementwicklung untersuchen. Weiterhin ist er Sprecher der Fachgruppe „Software Produktmanagement“ der Gesellschaft für Informatik (GI) e. V., die sich insbesondere dem Schulterschluss von Wissenschaft und Praxis in der Entwicklung softwareintensiver Produkte widmet. Kontakt: Kuhrmann@acm.org Foto: Foto Keller, Fischermäkerstraße 9, 38640 Goslar Aufruf zu agilem Projektmanagement bei Unternehmen angekommen? Prof. Marco Kuhrmann: Unsere Studie zeigt, dass in der industriellen Praxis nach wie vor fast alles vertreten ist, was im Projektmanagement jemals erfunden wurde und den Weg in die Standardisierung gefunden hat. Da stehen agile neben traditionellen Vorgehensweisen. Rechnen wir dann noch die unternehmensspezifischen Vorgehensmodelle dazu, die ja selten nach außen getragen werden - dann stehen wir vor einer sehr großen Vielfalt. Das ist wie bei Computerhardware: Alles, was jemals gebaut wurde, wird in der Praxis bis heute genutzt. Das heißt, Unternehmen gehen eher pragmatisch und umsichtig um mit agilen Vorgehensweisen im Projektmanagement. Kaum ein Unternehmen adaptiert agile Ansätze lückenlos. Eine agile Revolution ist nicht erkennbar? Das ist tatsächlich so - völlig unabhängig von der Unternehmensgröße oder dem Industriesektor. Viele Unternehmen setzen immer noch auf ein traditionell organisiertes Rahmenwerk. Dieses Rahmenwerk reichern sie ganz pragmatisch mit Methoden aus beiden Welten an - und gestalten es dann weiter durch kleinere Entwicklungspraktiken aus. DAS UNTERNEHMEN ALS ÖKOSYSTEM Die Unternehmen überlegen sich also, was sie wirklich brauchen aus den verschiedenen Welten. Sie bedienen sich aus einer Vielzahl von Frameworks und einem reichen Werkzeugkoffer - und kombinieren dann situativ agile und klassische Ansätze? Vielfalt statt reine Lehre: Unternehmen öffnen sich dem agilen Projektmanagement. Doch kaum jemand setzt die agile Methodik buchstabengetreu um. Stattdessen stoßen Forscher auf eine bunte Methodenmischung aus klassischen und agilen Ansätzen. Mit der agilen Herausforderung gehen Unternehmen sehr pragmatisch um - in einem Maß, wie es sogar die Autoren der HELENA-Studie (Hybrid DEveLopmENt Approaches in Software Systems Development) verblüfft hat. Demnach implementieren mehr als drei Viertel der Unternehmen bereits heute einen hybriden Prozess. „Wir sind davon ausgegangen, dass vielleicht die Hälfte der Unternehmen auf hybride Prozesse setzt, höchstens zwei Drittel“, berichtet Prof. Marco Kuhrmann (Universität Passau), einer der Studienautoren. Er liest daraus: „Reines agiles Vorgehen wird nicht als das Allheilmittel angesehen, als das es häufig verkauft wird.“ Im Interview erklärt Prof. Marco Kuhrmann, weshalb rein agiles Vorgehen für viele Unternehmen nicht infrage kommt, wie Unternehmen hybride Ansätze entwickeln - und wie sich die Rolle von Projektmanagern wandelt. Herr Professor Kuhrmann, ginge es nach den Verfechtern der reinen Lehre, würden viele Unternehmen dringend eine agile Transformation brauchen. Agile Ansätze, Methoden und Haltungen würden dann das Tagesgeschäft bestimmen. Doch offenbar wird dies im Alltag weniger heiß gegessen, als es gekocht wird. In Ihrer Studie HELENA haben Sie mit Ihren Kollegen die Softwareentwicklung und das Projektmanagement in Unternehmen international durchleuchtet. Sie stützen sich auf eine breite Datenbasis. Nach Ihren Befunden - wie ist der Autor: Oliver Steeger Reines agiles Vorgehen kein „Allheilmittel“ Hybride Prozesse haben sich in Unternehmen durchgesetzt projektManagementaktuell | AUSGABE 3.2019 06 REPORT Das Ergebnis hat selbst die Wissenschaftler überrascht: Mehr als drei Viertel der Unternehmen setzen heute auf hybride Prozesse. Auch bei kleinen und mittleren Unternehmen sind hybride Prozesse weit verbreitet. Foto: Gorodenkoff - stock.adobe.com Ja, völlig richtig. Der Hintergrund dafür ist auch relativ einfach zu verstehen. Jedes Unternehmen ist eine Art Ökosystem. In diesem Ökosystem findet ja nicht nur beispielsweise die Entwicklung von Hardware und Software statt. Da gibt es auch andere Bereiche wie Sales, Rechnungswesen oder Personalmanagement. Dort herrschen ganz klassische Geschäftsprozesse vor. Zu diesen klassischen Prozessen müssen Projekte eine Schnittstelle anbieten. Aus Sicht vieler Unternehmen liefern agile Methoden diese Schnittstellen nicht. Das heißt, Projektmanager sind teils gezwungen, klassisch zu arbeiten? Ja. Wenn beispielsweise der Kunde oder der Vertrieb das wünschen, arbeiten viele nach wie vor mit klassischen Schätzungen und bauen eine solide Planung auf. Dafür verwendet der Projektmanager etwa ein klassisches Meilensteinsystem oder ein Delivery-Konzept, das dann anschlussfähig ist an die Vertragsgestaltung. Wie sieht dies konkret in der Praxis aus …? Unsere Studienergebnisse zeigen, dass Projekte üblicherweise einem Framework folgen. Unternehmen verwenden klassische Standards für dieses Framework - weil sie eben das Projekt in das Geschäft und die Prozesswelt des Unternehmens einfügen müssen. Die Details unterhalb dieser Rahmen und Standards sind vielfach agil. Da räumt man Entwicklern die Freiheit ein, die Methoden zu wählen, die sie für geeignet halten. Also ein klassischer, meilensteinorientierter Überbau, der den Rahmen bildet für agile, teamorientierte Einzelmethoden der Entwicklung. Liege ich mit der Vermutung richtig, dass dieser Überbau das Projekt anschlussfähig macht für die klassische Linienorganisation? Anschlussfähigkeit ist einer der Treiber. Es gibt noch einen weiteren Treiber; dieser wird bereits in einigen Studien genannt und kontrovers diskutiert. Die Sache ist: Insbesondere agile Methoden bringen Schwierigkeiten bei der Skalierung mit - wenn man etwa große Projekte agil durchführen will. Agile Methoden fokussieren stark auf das Team. Bei Scrum wird im Idealfall das Team sogar isoliert von der Gesamtorganisation. Es verschwindet quasi aus der Linienorganisation und ist für sie eine Black Box. Ist das Projekt aber sehr groß, werden die Aufwände für Kommunikation nicht mehr beherrschbar - vor allem, wenn sich das Projekt global verteilt. Man muss Zeitzonen synchronisieren, Übergaben hinbekommen sowie Sprachbarrieren und Kulturgrenzen überwinden. Da bietet der Projektprozess mit dem traditionellen Rahmen bessere Schnittstellen - einerseits hin zur Organisation, andererseits auch für die Skalierung. Wie darf ich mir das genau vorstellen? Wie kommen Unternehmen zu ihren hybriden Prozessen? Stellen sie ihre Methoden und Praktiken wirklich ad hoc, von Projekt zu Projekt, neu zusammen? Vielleicht wird die komplette Vorgehensweise nicht von Projekt zu Projekt festgelegt. Im Allgemeinen sammeln Unternehmen Erfahrungen mit ihrem Projektmanagement. Es kommt zu bestimmten Konsolidierungen im Methodenapparat, also zu Mustern, die für alle Projekte gelten. Doch innerhalb dieses konsolidierten Methodenapparats kann dann für jedes Projekt die Vorgehensweise neu zusammengestellt werden. STRUKTURIERTER ENTWICK- LUNGSPROZESS? Also ein strukturierter Entwicklungsprozess? Es kommt darauf an, was man unter strukturiert versteht. Unter einem strukturierten Ansatz würde man verstehen, dass diese hybriden Methoden etwa durch ein eigenes Projekt entwickelt und danach gepflegt und weiterentwickelt würden. Einige Unternehmen haben versucht, ihr Projektmanagement so zu gestalten. Damit haben sie in der Vergangenheit anscheinend Schiffbruch erlitten. Zu Ihrer Frage: projektManagementaktuell | AUSGABE 3.2019 REPORT 07 7,2% 9,2% 11,3% 10,4% 9,7% 7,8% 7,4% 4,2% 5,3% 8,0% 7,6% 20,7% 25,1% 27,2% 23,7% 15,9% 18,9% 19,6% 8,7% 13,6% 20,5% 17,0% 26,3% 21,0% 19,8% 17,5% 20,3% 24,4% 26,5% 22,1% 22,4% 22,8% 23,7% 30,6% 25,4% 16,6% 23,9% 28,1% 32,2% 29,0% 35,0% 35,0% 19,8% 29,3% 12,5% 10,2% 6,7% 11,0% 16,6% 11,5% 12,2% 27,6% 20,1% 9,0% 12,5% 1,9% 8,1% 17,5% 12,7% 8,5% 4,4% 4,4% 1,8% 2,8% 19,1% 9,0% 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% Project Management Quality Management Risk Management Configuration Management Change Management Requirements Analysis/ Engineering Architecture and Design Implementation/ Coding Integration and Testing Transition and Operation Maintenance and Evolution Fully Traditional Mainly Traditional Balanced between Traditional and Agile Mainly Agile Fully Agile Don't know Not answered Gelten diese Beobachtungen wirklich für alle Branchen? Diese Ergebnisse beziehen sich auf alle Branchen. Sie gelten für Unternehmen unabhängig von ihrer Größe oder dem, was sie machen. Die Tendenz zu hybriden Prozessen ist in allen Bereichen vorhanden. Die eine Branche tut sich damit leichter, die andere vielleicht etwas schwerer - was auch mit äußeren Faktoren zu tun haben kann. Beispielsweise wird es häufig kompliziert, wenn Unternehmen externe Standards einbinden müssen. Wir haben in unserer Studie ermittelt: Zwei Drittel der Unternehmen, die agil arbeiten und gleichzeitig externe Standards haben, bekommen schnell Probleme. HELENA - EINE BESTANDSAUFNAHME Sprechen wir bitte näher über Ihre HELENA-Studie. Welche Ziele hat sie? Offenbar setzen nur wenige Unternehmen die reine Lehre des agilen Projektmanagements um. Kommt dieser Befund für Sie überraschend? Nein, eigentlich nicht. Wir haben Ähnliches erwartet. Was uns allerdings überrascht hat, war die extrem hohe Durchdringung durch hybride Ansätze schon zum jetzigen Zeitpunkt. Mehr als drei Viertel der Unternehmen implementieren bereits heute einen hybriden Prozess. Auch bei kleinen und mittleren Unternehmen sind hybride Prozesse weit verbreitet. Damit haben wir nicht gerechnet. Wir sind davon ausgegangen, dass vielleicht die Hälfte der Unternehmen auf hybride Prozesse setzt, höchstens zwei Drittel. Wir haben angenommen, dass der Rest versucht, sich mit zunehmender Energie auf ein völlig agiles Projektmanagement auszurichten. Genau dies trifft nicht zu. Ich lese aus unserer Studie: Reines agiles Vorgehen wird nicht als das Allheilmittel angesehen, als das es häufig verkauft wird. Wenn Sie die Entwicklung aus solch einer Perspektive von organisatorischer Prozessverbesserung betrachten, dann werden Sie in der Entwicklung des Methodenapparats nicht immer ein strukturiertes Vorgehen sehen. DREI VON VIER UNTERNEHMEN MIT HYBRIDEM PROZESS Wie sehen da die Zahlen aus? Wir haben in unserer Studie ermittelt, dass bei rund 40 Prozent der Unternehmen initiale Projekte stattgefunden haben. Die Unternehmen haben also bewusst eine Basis geschaffen mit Prozessen, Wissen und Know-how. Danach arbeiten die Unternehmen evolutionär an ihrem Projektmanagement weiter. Sie wenden eine neue Methode an, sammeln Erfahrungen, verstetigen sie danach - oder verwerfen die Methode wieder. Anzahl der Teilnehmer, die angaben, ein bestimmtes Framework/ eine bestimmte Methode zu nutzen (n = 845, es werden alle Nutzungsattribute von selten bis immer aufsummiert) projektManagementaktuell | AUSGABE 3.2019 08 REPORT Hybride Prozesse verbreiten sich quer durch alle Branchen - also auch außerhalb der IT-Branche. Die eine Branche tut sich damit leichter, die andere vielleicht etwas schwerer - was auch mit äußeren Faktoren zu tun haben kann. Foto: auremar - stock.adobe.com Unit-Testen. Was unser Vorgehen bei der Studie betrifft: Wir haben Praktiker befragt. Sie sind diese Liste durchgegangen und haben jeden einzelnen Punkt danach bewertet, ob sie die Methode oder Praktik kennen, nutzen und wie häufig sie diese nutzen. Sie haben kürzlich gesagt, dass Sie bei der Auswertung auf interessante Muster gestoßen sind. Wir haben festgestellt, dass es einige wenige Ankerpunkte gibt … … also einen übergreifenden Rahmen, das Framework, das Sie erwähnt haben. Ja, bei aller Vielfalt gibt es vor allem acht Ankerpunkte, zu denen das klassische Wasserfallmodell und Scrum gehören. Eine oder mehrere dieser Methoden bilden den stabilen Rahmenprozess, häufig meilensteinorientiert mit entsprechenden Phasen. Innerhalb dieses Rahmens finden Sie eine teilweise sehr große Zahl von Kombinationen agiler und klassischer Methoden und Praktiken. Da wird es dann wirklich bunt. Natürlich sind wir dort auf klare Favoriten gestoßen, die sehr häufig genutzt werden, zum Beispiel bei der Qualitätssicherung mit Code Reviews, automatisiertem Testen oder Coding Guidelines. Diese Methoden wurden zu mehr als 80 Prozent genannt. auf der Landkarte kennen, um wirklich zielorientierte, anwendungsnahe Forschung zu betreiben. Sie haben allerdings angenommen, dass Sie bei Ihren Untersuchungen auf hybride Vorgehensweisen in Unternehmen stoßen würden - statt auf die Umsetzung der reinen Lehre? Natürlich! Wir wussten, dass für Unternehmen nicht immer nur ein einziger Weg zum Ziel führt. Womit wir nicht gerechnet haben, war die Vielfalt an Methoden und Praktiken in der hybriden Welt. Anfangs sind wir davon ausgegangen, dass wir uns auf 40 Methoden und Praktiken konzentrieren können. Dann haben wir schnell erkannt, dass wir unsere Liste auf 60 Methoden und Praktiken erweitern müssen. Sogar diese ergänzte Liste mit diesen 60 Punkten erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Viele unternehmensinterne Methoden und Praktiken, die meistens nicht nach außen dringen, sind nicht enthalten und es gibt viele weitere spezielle Methoden und Praktiken, die wir nicht berücksichtigen konnten. Wir mussten irgendwo eine Stopplinie ziehen. Danach haben wir diese 60 Methoden und Praktiken geordnet und gegliedert. 24 dieser Punkte haben wir der Rubrik „Frameworks und Methoden“ zugeordnet, beispielsweise das V-Modell oder Scrum. Die restlichen 36 Punkte verstehen wir als Praktiken, wie etwa „Daily Scrums“ oder automatisiertes Das Ziel, das wir uns gesetzt haben, ist einfach zu beschreiben. Wir wollten uns lösen von allen Marketingversprechen wie etwa der Aussage, dass mit agilem Vorgehen alles im Projektmanagement besser wird - und dass damit traditionelles Projektmanagement obsolet geworden ist. Wir haben uns beispielsweise auch von dem Argument distanziert, dass Agilität in regulierten Umfeldern nicht möglich ist. Im Grunde wollten wir wissen: Wie gehen Unternehmen in ihrer Praxis mit unterschiedlichen Frameworks, Methoden und Praktiken für die Software- und Systementwicklung um? Weshalb gehen sie auf diese Weise damit um - und funktioniert das auch? LISTE MIT 60 METHODEN UND PRAKTIKEN Eine Bestandsaufnahme also? Ja. Wir halten diese wissenschaftliche Bestandsaufnahme der Praxis für nötig. Die Unternehmen laufen der Forschung sonst davon, besonders bei der Methodik der Softwareentwicklung. Wir wussten nicht, wo die Praxis genau steht und was sie braucht. Erst nach dieser Bestandsaufnahme können wir aus der Forschung heraus fundiert Aussagen treffen und Verbesserungen vorschlagen. Wir wollten also den Startpunkt projektManagementaktuell | AUSGABE 3.2019 REPORT 09 39 71 74 81 106 106 116 143 156 159 166 180 208 219 236 256 301 325 404 437 453 523 620 674 0 100 200 300 400 500 600 700 Crystal Family DSDM Nexus PRINCE2 Personal Software Process SSADM Team Software Process Phase / Stage-gate model Spiral Model Rational Unified Process Scaled Agile Framework (SAFe) Large-Scale Scrum (LESS) Model-Driven Architecture (MDA) V-shaped Process (V-Model) ScrumBan Domain-Driven Design Feature Driven Development (FDD) Lean Software Development eXtreme Programming (XP) DevOps Classic Waterfall Process Kanban Iterative Development Scrum eingesetzt werden. Will beispielsweise der Kunde nicht so mitwirken, wie das in einem agilen Modell gefordert wird, dann findet diese Praktik nicht statt. Gleich, ob sie in dem Unternehmen funktionieren würde oder nicht. Zum Beispiel? Einige Kunden weigern sich, als On-Site-Customer an agilen Projekten teilzunehmen. Sind dagegen andere Kunden bereit, beispielsweise einmal am Tag ein Release auf ihren Webserver aufzuspielen, um eine neue Funktionalität des Webshops zu testen, dann ist dies geradezu eine Aufforderung, etwa DevOps einzusetzen. So etwas hat starken Einfluss auf die Evolution des Vorgehens in einem Projekt. Die Evolution findet also nicht im Projektmanagement allein statt, sondern wird von der gesamten Organisation geprägt, einschließlich externer Stakeholdergruppen. Zwischen dem Projekt, der Gesamtorganisation und externen Stakeholdern findet dann ein Dialog statt, welche Methoden in der hybriden Vorgehensweise eingesetzt werden. Also eine Art permanenter Prozess des Aushandelns. Ja, so kann man das sehen. VORTEILE HYBRIDER VORGEHENSWEISEN Was erwarten Unternehmen von ihrer hybriden Vorgehensweise? Welche Vorteile sehen sie darin? In unserer Studie haben wir Unternehmen gefragt, weshalb sie mit ihrer jeweiligen Prozesskombination arbeiten. Was sind die Gründe, genau mit dieser Kombination in einem Projekt vorzugehen? Was will man damit erreichen? Auf Platz eins der Liste finden Sie die Aussage, dass Unternehmen schnell und flexibel auf Änderungen reagieren können. Auf Platz zwei folgt, dass Unternehmen ihre Kunden mit ins Projekt miteinbinden können - also dicht an den Kunden herankommen und sehr schnell herausfinden, was er will. Knapp hinter diesem Punkt liegt ein weiterer Grund: Es geht darum, die Frequenz der Lieferungen an den Kunden zu erhöhen. Man will also kurze Iterationszyklen und Feedback-Schleifen aufbauen. Die vierte Motivation ist: Unternehmen wollen die Produktqualität erhöhen, also die Qualität, die der Kunde bei dem ausgelieferten Produkt wahrnimmt. WENN DER ON-SITE-KUNDE NICHT MITSPIELT ... Externe Faktoren? Was darf ich mir darunter vorstellen? Projekte entstehen nicht im luftleeren Raum. Häufig finden sie in sehr differenzierten Organisationen statt. Denken Sie an die Entwicklung sicherheitskritischer Softwaresysteme. Da befindet sich das Team automatisch in einem sehr komplexen Umfeld. Und - es gibt den Kunden! Kunden haben häufig eigene Vorstellungen, wie ein Projekt ablaufen soll und welche Methoden Wie gehen Unternehmen bei dieser Zusammenstellung vor? Evolutionär haben Sie dies eben genannt. Für mich bedeutet dies: lernend, pragmatisch weiterentwickelnd, durch Versuch und Irrtum. Vermute ich dies richtig? Ein Hinweis könnte Ihnen eine Zahl aus unserer Studie geben. Über 78 Prozent der von uns Befragten sagen: Ja, wir gehen lernend vor, im Sinne einer lernenden Organisation. Welche Methoden sind wann nützlich für die Projekte? Welche funktionieren besonders gut? Welche eignen sich weniger? Dabei wird die Kombination der Methoden auch durch externe Faktoren beeinflusst, die außerhalb der Projekte liegen. Anzahl der Teilnehmer, die angaben, eine bestimmte Praktik zu nutzen (n = 769, es werden alle Nutzungsattribute von selten bis immer aufsummiert) projektManagementaktuell | AUSGABE 3.2019 10 REPORT Hybride Ansätze heißt häufig: Unternehmen verwenden klassische Standards für das übergeordnete Framework. Die Details unterhalb dieses Rahmens und Standards sind dann agil. Da haben Entwickler die Freiheit, die für sie geeigneten Methoden zu wählen. Foto: Leonid - stock.adobe.com Tendenz zum Agilen. Dies spiegelt übrigens genau das wider, was ich eben beschrieben habe: Es gibt die klassischen Managementprozesse und den eher agilen Engineering-Prozess. Das Management bevorzugt häufig die traditionellen Methoden, um die Rahmenbedingungen der Gesamtorganisation erfüllt zu sehen. LERNPROZESS ÜBER LANGE ZEIT Also ein gegenseitiges Entgegenkommen - ganz auf die Anforderungen und Bedürfnisse der jeweiligen Gruppen zugeschnitten? Stellen Sie sich das sehr pragmatisch vor. Jeder bekommt etwas, jeder gibt etwas - dann kommt etwas heraus, mit dem sich jeder arrangieren kann. Ein Projektmanager mit seinen klassischen Themen wie Reporting oder Projekt-Meetings wird sich keinen Zacken aus der Krone brechen, wenn er Daily Scrums akzeptiert und darauf verzichtet, das Team einmal die Woche zur Projektbesprechung in den Konferenzraum einzuladen. Und: Ob das Iterations-Controlling zu einem definierten Meilenstein stattfindet oder im Rahmen eines Sprint Reviews beim Scrum - das kann am Ende des Tages doch gleichgültig sein. Dies alles ist ein Lernprozess, der über lange Zeit läuft. Das heißt - ein guter Kompromiss zwischen beiden Welten? Ja. Das Einzige, was die beiden Gruppen vereinbaren müssen, sind die Schnittstellen. Braucht das Management Controlling-Zahlen, so vereinbart es mit dem Team, dass und wie diese Daten geliefert werden. Häufig werden solche Zahlen ja automatisch generiert; dann ist diese Schnittstelle recht schmal. Größere Herausforderungen können das Risikomanagement und das Change Management sein. Nach allem, was wir aus unserer Studie erkennen, wird besonders das Risikomanagement eher traditionell durchgeführt. Daraus erkennen wir: Das Management drängt weiterhin stark darauf, für das Risikomanagement einen funktionellen Rahmen zu bilden, Risiken zu antizipieren und damit umzugehen. KOMPROMISS ZWISCHEN ZWEI WELTEN Welche Projektaufgaben werden ebenfalls weiterhin klassisch bearbeitet? Neben dem Risikomanagement sehe ich im klassischen Bereich das Konfigurationsmanagement sowie Transition, Operation und Evolution. Dagegen beobachten wir in den Bereichen Implementierung, Testen und Requirements Engineering die Was mich da interessiert - wie kommt es, dass Unternehmen angesichts dieser Ziele auf hybride Ansätze setzen? Wenn ich dies richtig sehe, werden solche Ziele insbesondere durch rein agile Vorgehensweisen erreicht. Weshalb hybrid? Das ist einfach zu beantworten. Denken Sie nochmals an das Ökosystem und betrachten Sie die typischen Haupt-Stakeholdergruppen eines Projekts. Lassen Sie den Kunden dieses Mal außen vor. Dann bleiben im Wesentlichen zwei Gruppen, nämlich die der Manager und die der Entwickler mit ihren jeweiligen Erwartungen. Die hybriden Prozesse bringen diese beiden Gruppen in eine Win-win-Situation. Inwiefern in eine Win-win-Situation? Durch einen stabilen Rahmenprozess bekommt das Management die Struktur und Sicherheit, die es wünscht und braucht. Das Management kennt die Meilensteine und die Ziele; es bekommt Controlling-Zahlen. Es ist darüber informiert, wann es den Cashflow initiieren kann oder wann geliefert wird. Das Management kann damit in einem ziemlich sicheren und planbaren Umfeld seine Aufgaben bearbeiten. Auf der anderen Seite erhalten die Entwickler ein hohes Maß an Freiheit. Sie können sich die agilen Methoden, mit denen sie arbeiten wollen, häufig selbst aussuchen - natürlich innerhalb des gegebenen Prozessrahmens. projektManagementaktuell | AUSGABE 3.2019 REPORT 11 In Unternehmen finden nicht nur Projekte etwa zur Entwicklung von Software statt. Andere Bereiche wie Sales, Rechnungswesen oder Personalmanagement arbeiten nach klassischen Geschäftsprozessen. Projekte müssen Schnittstellen haben zu diesen klassischen Prozessen. Konkret: Projekte müssen der Denkweise dieser Bereiche folgen, ihre Sprache sprechen - und mithilfe klassischer PM-Methoden die Informationen geben, die sie brauchen. Beispielsweise verwenden Projektmanager klassische Meilensteinsysteme oder ein zum Vertrag passendes Delivery- Konzept. Foto: fitzkes - stock.adobe.com schlimmsten Fall wird das Controlling ausgebaut und die Mitarbeiter werden unter Aufsicht gestellt. Das soll übrigens nicht heißen, dass agile Methoden frei von Controlling-Instrumenten sind, ganz und gar nicht. Agile Methoden erfordern ein hohes Maß an Disziplin. Sie wurden ja gelegentlich auch als empirische Methoden bezeichnet, weil sie stark datengetrieben sind. Um diese Frage geht es hier aber nicht. Es geht darum, dass zwei kulturelle Welten ihr Verhältnis zueinander austarieren und zu einem Kompromiss finden, der zu hybridem Projektmanagement führt. Sprechen wir abschließend über Kultur. Wir wissen, dass agile Methoden nicht nur die Arbeitsweise eines Unternehmens verändern, sondern auch die Kultur. Vor einiger Zeit haben Sie gesagt, dass agile Ansätze sich zunehmend von einem Entwicklungsparadigma zu einer Kulturfrage für Unternehmen wenden. Was ist damit genau gemeint? Agile Methoden werden häufig gleichgesetzt mit dem agilen Manifest. In der Vergangenheit hat man dieses Manifest genommen und es beispielsweise mit Ansätzen wie Extreme Programming implementiert. Doch dann kam es zu den üblichen organisatorischen Immunreaktionen. Die konkrete Realität in Unternehmen ist nun einmal anders beschaffen als in dem Maniten Konflikt deutlich. Man muss wirklich schauen, in welcher Primärorganisation die Sekundärorganisation des Projekts existiert. Unsere Daten zeigen, dass hybride Ansätze diesen Konflikt zumindest entschärfen können. Denn mal ehrlich, man wird die klassische Organisation nicht abschaffen können ... TRADITIONELLE ORGANISATIONEN AKZEPTIEREN? Manche Start-ups behaupten genau dies … Die Art und Weise, wie generell eine Organisation funktioniert, sollte man schlicht und ergreifend akzeptieren. Was die Start-ups betrifft: Sobald ein Start-up sein Produkt im Markt hat, hat es auch Kunden. Dann muss es ein funktionierendes Customer-Relationship Management aufbauen, es muss Projekte verwalten, Projekte akquirieren. Das Start-up wird im Nu einen Verwaltungsapparat aufbauen mit all den klassischen Prozessen, die solch ein Apparat braucht. Und je größer das Start-up dann wird, desto mehr Strukturen wird es in seine Organisation einziehen müssen. Und kommt später das Management aus irgendwelchen Gründen unter Druck, dann wird es sich auf das zurückziehen, was es kann - nämlich klassische Prozesse. Im Dies steht also hinter dem evolutionären Prozess, den Sie eben beschrieben haben? Ein Aushandeln und Übereinbringen verschiedener Erwartungen und Ansprüche? Ja. Wobei diese Aushandlungsprozesse vermutlich auch scheitern können? Natürlich können sie scheitern. Wenn sich zum Beispiel auf der Topmanagementebene jemand gegen dieses Aushandeln wehrt, dann wird der hybride Ansatz womöglich nicht gelingen. Jeder Einzelne muss Hoheitsgebiete aufgeben. Am Ende hängt das an den einzelnen beteiligten Personen und Charakteren. Ein Beispiel: Gehen Sie nach reiner Scrum-Lehre vor, dann organisiert sich das Team selbst. Der Einzige, der ein wenig Einfluss nehmen kann, ist der Product Owner, indem er beispielsweise Backlogs priorisiert ... Richtig! Das aber würde für die Gesamtorganisation bedeuten, dass das Projektteam von anderen Aufgaben abgeschirmt arbeitet und nicht gestört werden dürfte. Versuchen Sie, dies in einer klassischen Linienorganisation zu implementieren, wo es Linienmanager gibt. Wie wollen Sie Linienmanagern klarmachen, dass ihnen die Weisungsbefugnis über ihre Mitarbeiter abhandenkommt? Dieses Beispiel macht den inhärenprojektManagementaktuell | AUSGABE 3.2019 12 REPORT Selbsteinschätzung der Teilnehmer, wie sie bestimmte Aufgabenbereiche in ihren Projekten umsetzen. Die Begriffe „traditionell“ und „agil“ wurden hierbei nicht definiert, sodass die Angabe der Teilnehmer die jeweils eigene Wahrnehmung von Agilität widerspiegelt. Die Grafik zeigt, dass die Teilnehmer ein ausbalanciertes Vorgehen anstreben, es jedoch auch Teilnehmer gibt, die in bestimmten Bereichen ein vollständig traditionelles oder agiles Vorgehen einsetzen. 109 186 233 294 300 340 359 361 448 450 454 468 474 488 506 511 522 522 525 537 567 581 586 598 598 601 601 611 612 615 625 638 645 656 690 704 0 100 200 300 400 500 600 700 Automated Theorem Proving Model Checking Formal estimation Destructive Testing Scrum-of-Scrums Velocity-based planning On-Site Customer Formal Specification Use Case Modeling Collective code ownership Limit Work-in-Progress Test-driven Development Automated Code Generation Pair Programming Burn-Down Charts Security Testing Definition of done / ready Expert-/ Team-based estimation Detailed Designs/ Design Specifications Continuous deployment Retrospectives Daily Standup Architecture Specifications Iteration Planning User Stories Design Reviews End-to-End (System) Testing Backlog Management Continuous integration Iteration/ Sprint Reviews Refactoring Automated Unit Testing Prototyping Release planning Coding standards Code review knüpft? Ich habe vor einigen Jahren einem Scrum-Verfechter die Frage gestellt: Das Team man mit Verantwortung um, die sich ja kulturell bedingt auch häufig mit der Schuldfrage verfest angenommen und beschrieben. Dies führt zu Abwehrreaktionen - eben weil mit diesen Ansätzen auch eine neue Kultur Einzug hält, etwa die Offenheit gegenüber Änderungen oder die Bereitschaft, schnell Ergebnisse zu liefern, Fehler zu machen und aus diesen Fehlern zu lernen. METHODEN „TRANSPORTIEREN“ KULTUREN Da sind wir bei dem sogenannten agilen Mindset? Ja, das viel zitierte Mindset. Wenn Sie einen Prozess implementieren, dann haben Sie eine technische Seite - die Ausgestaltung von Rollen, Aktivitäten und Ergebnissen. Doch es gibt eine Reihe von Ansätzen, die neben dem Prozess oder Workflow auch eine Kultur transportieren. Nehmen Sie als Beispiel DevOps. Da geht es auch darum, die „Culture of Blame“, die Vorwurfskultur, auszuschalten, damit Probleme schnell erkannt, offengelegt und gelöst werden. Das heißt, ein Ansatz gibt einen Modus Operandi vor, eine technische Arbeitsweise. Doch was wirklich spannend ist, ist die Kultur hinter dieser Arbeitsweise. Richtig. Beim Scrum sieht man das ja sehr deutlich. Scrum kennt eigentlich keinen Projektmanager mehr. Das berührt nicht nur die rein technische Verteilung von Rollen, sondern auch die Kultur. Häufig ist die Kulturfrage konfrontiert mit teils knallharten betriebswirtschaftlichen Anforderungen, etwa Time-to-Market oder Customer Value. WAS WIRD AUS DER VERANTWORTUNG? Da geht es dann nicht mehr um Kultur, sondern auch um Verantwortung. Projektmanager halten häufig ihren Kopf hin für den Erfolg. Sie tragen die Verantwortung für das Projekt. Gerade haben Sie Scrum erwähnt. Beim Scrum müssen Projektmanager beispielsweise Entscheidungen des Teams akzeptieren, selbst wenn sie anderer Meinung sind. Da bewegt sich das Management doch auf einem ziemlich schmalen Grat. Das ist meiner Ansicht nach einer der Knackpunkte bei agilen Vorgehensweisen: Wie geht projektManagementaktuell | AUSGABE 3.2019 REPORT 13