PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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2019
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Kulturelle Einflüsse auf die Wahrnehmung von Projektchancen
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2019
Reiner Singer
Raphael Seitz
Janina Fritsch
Konrad Spang
Chancen in Projekten haben nicht die gleiche Aufmerksamkeit wie Gefahren. Das liegt zum einen daran, dass beim Projektrisikomanagement der Fokus meistens ausschließlich auf Gefahren liegt. Zum anderen weisen Chancen andere Eigenschaften auf. Ein Faktor, der auf die Wahrnehmung von Chancen Einfluss hat, ist die kulturelle Prägung. Das Ziel dieses Artikels ist zu zeigen, welche kulturellen Prägungen auf nationaler Ebene Einfluss auf die Wahrnehmung und die Behandlung von Chancen in Projekten haben. Da für die Untersuchungen ein Innovationsindex genutzt wird, wird ebenfalls dargelegt, worin Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Projektchancen und Innovationen bestehen.
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[4] Hochschule Koblenz: Erfolgsfaktoren im Projektmanagement. 2015, www.erfolgsfaktorenprojektmanagement.de, Stand: 15.3.2019 Schlagwörter Lessons Learned, Projektcontrolling, Projektphasen Kompetenzelemente der ICB 4.0 3.03 Leistungsumfang und Lieferobjekte, 3.04 Ablauf und Termine, 3.07 Kosten und Finanzen, 3.08 Ressourcen Literatur [1] Schäffer/ Weber/ Mahlendorf: Effektives Reporting: Das Berichtswesen unter der Lupe. Eine Studie des WHU-Controllerpanels 2013, Valendar 2013, S. 37-38 [2] GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. und PA Consulting Group: Erfolg und Scheitern im Projektmanagement. 2008, www.gpm-ipma.de/ know_how/ studien ergebnisse/ pm_studie_2008_erfolg_und_ scheitern_im_pm.html, Stand: 15.3.2019 [3] Standish Group: Chaos-Studie. www.projectsmart.co.uk/ white-papers/ chaosreport.pdf, Stand: 15.3.2019 Themenbereich Initiierungsphase ok Ergebnisse ok Ziele Wurden die Projektziele erreicht? Stellungnahme Auftraggeber Organisation Hat die Projektübergabe erfolgreich stattgefunden? Hat die Übergabe der Verantwortung an den Auftraggeber stattgefunden? Hat die Entlastung des Projektteams stattgefunden? Haben notwendige Schulungen stattgefunden? Wurde die vereinbarte Dokumentation aus dem Projekt an den Auftraggeber übergeben? Haben Lessons Learned stattgefunden? Ist die Anschlussdokumentation vollständig? Wurde das Projekt offiziell beendet? Sind alle genutzten Ressourcen wieder freigegeben? Übergabeprotokoll Übergabeprotokoll Entlastung Schulungsunterlagen, Teilnehmerlisten Nachweis (E-Mail, sonstiger Nachweis) Protokoll Übergabeprotokoll Projektabnahme, Abschlussbericht Information an Ressourcenverantwortliche Projektfortschritt Projektstatus: Wurden Qualität, Termine und Kosten eingehalten? Wurden alle geplanten Projektergebnisse erreicht? Wurde ein Plan/ Soll/ Ist-Vergleich erstellt? Aufstellung projektgefährdender Ereignisse und erfolgreicher Maßnahmen, genutzte Chancen mit Ergebnis Aufstellung offener Punkte und notwendiger Nacharbeiten Bericht Kommunikation Sind Incentives oder Motivationsmaßnahmen geplant? Maßnahmen Chancen/ Risiken Wurden alle Chancen und Risiken erfolgreich abgearbeitet oder an die zuständigen Organisationseinheiten weitergegeben? Ist eine Zweitverwertung der Projektergebnisse an potenzielle Kunden, Folgeauftrag etc. möglich? Abschlussbericht Dokumentation und Weitergabe an die betroffenen Organisationseinheiten Stakeholder Sind alle relevanten Stakeholder in die Abnahme einbezogen? Projektabnahme Tab. 5: Abschlussphase projektManagementaktuell | AUSGABE 3.2019 24 ERFAHRUNG ten Controlling und Projektmanagement, umfangreiche Erfahrungen in Organisation, Controlling und Leitung komplexer Projekte; Delegierter GPM e. V., Leitung Arbeitskreis Projektcontrolling des ICV e. V. Anschrift: Blumenstraße 28, 85774 Unterföhring, E-Mail: Klaus.Schopka@schopka.com Klaus Schopka ist Geschäftsführer der Projektmanagement Schopka GmbH in Unterföhring. Studium in Nürnberg und München, ab 1982 in leitenden Positionen in Finanzbereich, Controlling und Servicemanagement internationaler IT-Konzerne, verantwortliche Mitarbeit bei Aufbau, Organisation und Controlling neuer Dienstleistungen und Geschäftsbereiche; seit 2000 selbstständiger Berater, Projektleiter und Trainer mit den Schwerpunk- Autoren Christian Bramkamp, Delegierter für die ICV-Fachkreise, stellvertretender Fachgruppenleiter Projektcontrolling GPM e. V./ Regionsleiter Ulm GPM e. V. ist Project Manager Finance & Administration bei Kardex Germany GmbH. Anschrift: Gärtnerweg 12, 89081 Ulm, E-Mail: Christian@cjjbcloud.de ERFAHRUNG 25 Anzeige BERUFSBEGLEITEND ZUM MASTER OF ARTS (M.A.) PROJEKTMANAGEMENT • Studium in nur 21 Monaten • International anerkannter Abschluss • Zulassung u.U. ohne Erststudium • Sonderkonditionen für Zertifizierungen • Kleine Gruppen INFOS & BERATUNG UNTER: business-school@tiba.de www.master.jetzt Kulturelle Einflüsse auf die Wahrnehmung von Projektchancen Autoren: Reiner Singer, Raphael Seitz, Janina Fritsch, Konrad Spang Im Projektrisikomanagement werden laut Definitionen in Theorie und Wissenschaft sowohl Gefahren als auch Chancen behandelt. Wird die einschlägige Literatur genauer studiert, lässt sich jedoch feststellen, dass der Fokus oftmals ausschließlich auf Gefahren liegt. Diese einseitige Sichtweise von Risiken ist auch in der Praxis, also in der Projektarbeit in Unternehmen, zu erkennen. Ein systematisches, strukturiertes Chancenmanagement findet selten statt und das Identifizieren von Chancen bleibt Zufallsfaktoren überlassen (u.- a. [1]). Ein Faktor, der auf das Wahrnehmen von Chancen Einfluss hat, ist die kulturelle Prägung. Unternehmen bzw. Mitarbeiter können auf unterschiedlichen Ebenen von Kulturen geprägt sein, die sich zum Teil auch überlagern, wie Abbildung 1 verdeutlicht. In diesem Beitrag soll der Fokus auf dem Einfluss nationaler Kulturen liegen. Das Ziel dieses Artikels ist zu diskutieren, ob manche Kulturen aufgrund ihrer Prägung Chancen besser wahrnehmen und auch behandeln können als andere. Hierzu wird der Begriff „Projektchance“ zunächst definiert und zu anderen verwandten Begriffen eingeordnet (1). Da keine länderspezifischen Kennzahlen über die Chancenwahrnehmung und -behandlung in Projekten existieren, wird ein Innovationsindex als Merkmalsgröße für die Untersuchung herangezogen. In (2) wird deshalb dargelegt, dass die Chancenwahrnehmung und -behandlung und die Innovationsfähigkeit eine hohe Analogie aufweisen. Anschließend werden in (3) die Untersuchungen dargestellt. Hierzu werden Erkenntnisse aus dem Kulturmodell nach Hofstede herangezogen (3.1) und in Zusammenhang mit Innovationsleistungen von Nationen, ausgedrückt durch den 1 Begrifflichkeiten von Unsicherheit, Risiko und Chance Projektchancen sind in der Fachliteratur mehr oder weniger gleich definiert, und zwar als positive Auswirkungen oder als positive Abweichungen in Bezug auf den Projektplan bzw. die Projektziele [u. a. 10]. Um den Begriff „Projektchance“ im Kontext zu anderen Begriffen einzuordnen, wird dargestellt, in welcher Beziehung dieser zu den Begriffen „Unsicherheit“, „Ungewissheit“ und „Risiko“ steht. Hierzu werden Quellen aus zwei Disziplinen betrachtet: zum einen Quellen aus der Entscheidungs- und Spieltheorie, die sich mit den Begrifflichkeiten ursprünglich beschäftigen, sowie Quellen aus der aktuellen Projektmanagementliteratur. Wie Abbildung 2 zeigt, kann Unsicherheit nach der Entscheidungsbzw. Spieltheorie in Ungewissheit und Risiko spezifiziert werden. Ein Risiko liegt immer dann vor, wenn objektive oder subjektive Wahrscheinlichkeiten (< 100 %) für den Eintritt von Ereignissen, Ergebnissen oder Umweltzuständen angegeben werden können. Existieren keine Eintrittswahrscheinlichkeiten, wird von Ungewissheit gesprochen [3]. Unsicherheit ist demnach der Überbegriff für alle Zustände, die als nicht sicher eingestuft werden können. Dies betrifft in aller Regel alle Ereignisse, die in der Zukunft liegen, da selbst durch geeignete Sicherungsmaßnahmen (z. B. durch einen Vertrag) keine sicheren Zustände erreicht werden können [4]. Der Begriff „Risiko“ ist in der Theorie also neutral und nicht von negativen oder positiven Ausprägungen abhängig, sondern allein davon, ob Eintrittswahrscheinlichkeiten bestimmt werden können. Er vereint sowohl Gefahren als auch Chancen. Im alltäglichen Sprachgebrauch ist der Begriff „Risiko“ aller- >> Für eilige Leser Chancen in Projekten haben nicht die gleiche Aufmerksamkeit wie Gefahren. Das liegt zum einen daran, dass beim Projektrisikomanagement der Fokus meistens ausschließlich auf Gefahren liegt. Zum anderen weisen Chancen andere Eigenschaften auf. Ein Faktor, der auf die Wahrnehmung von Chancen Einfluss hat, ist die kulturelle Prägung. Das Ziel dieses Artikels ist zu zeigen, welche kulturellen Prägungen auf nationaler Ebene Einfluss auf die Wahrnehmung und die Behandlung von Chancen in Projekten haben. Da für die Untersuchungen ein Innovationsindex genutzt wird, wird ebenfalls dargelegt, worin Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Projektchancen und Innovationen bestehen. Global Innovation Index (3.2), gebracht. Bestehende Untersuchungen haben bereits gezeigt, dass ein korrelativer Zusammenhang zwischen bestimmten Kulturdimensionen und der Innovationsfähigkeit vorhanden ist (3.3). Diese Zusammenhänge werden anhand aktuell vorliegender Daten geprüft (3.4) und Schlussfolgerungen für das Identifizieren und Behandeln von Chancen in Projekten vorgenommen (4). projektManagementaktuell | AUSGABE 3.2019 26 STRATEGIE Kultur auf kontinental-regionaler Ebene Kultur auf nationaler Ebene Kultur auf Branchenebene Kultur auf regionaler Ebene Kultur auf Firmenebene dings negativ konnotiert [5]. Diese einseitige Wahrnehmung ist auch bei der Durchführung von vielen Projekten zu beobachten, was durch veröffentlichte Fallstudien untermauert wird. Darin wird aufgezeigt, dass der Fokus in Projekten bzw. bei der Durchführung von Risiko- oder Unsicherheitsmanagement in Projekten auf der Identifikation und Behandlung von Gefahren liegt, die, wenn sie eintreten, negative Auswirkungen auf die Projektziele haben. Chancen werden demgegenüber weniger wahrgenommen, zieht man die Anzahl identifizierter Elemente als Kriterium heran [6, 7]. Deshalb wird von manchen Autoren durch unterschiedliche Vorschläge eine stärkere Fokussierung auf das Chancenmanagement in Projekten angeregt, ohne dabei die Betrachtung und die Behandlung von Gefahren zu vernachlässigen (u. a. [8]). Wird die Projektmanagementliteratur inklusive Normen und Standards hinsichtlich der Definition des Begriffs „Risiko“ betrachtet, ist Uneinheitlichkeit festzustellen. Als Beispiele seien an dieser Stelle der PMBOK Guide des Project Management Institute, die IPMA Individual Competence Baseline (ICB) der International Project Management Association und die DIN 69901-5 genannt. Während im PMBOK Guide Risiken sowohl als mögliche negative als auch mögliche positive Abweichung gegenüber den Projektzielen dargestellt werden [9], wird im Vergleich dazu in der ICB sowie in der DIN 69901-5 explizit zwischen Projektrisiken (negative Auswirkungen) und Projektchancen (positive Auswirkungen) unterschieden [10, 11]. 2 Analogie zwischen Projektchancen und Innovationen Um kulturelle Einflüsse nationaler Kulturen auf die Wahrnehmung und den Umgang von Projektchancen aufzuzeigen, wird in dieser Untersuchung auf Sekundärdaten zurückgegriffen (vgl.-3). Zur Wahrnehmung und Behandlung von Projektchancen stehen (aktuell) keine Daten zur Verfügung, die einen internationalen Vergleich ermöglichen. Deshalb werden zur Untersuchung des Einflusses nationaler Kulturen auf das Thema Projektchancen einerseits Innovationen als Substitut für Projektchancen und andererseits ein Index für Innovationen als Hilfskennzahl herangezogen. Im Folgenden wird hierfür dargelegt und argumentiert, dass Projektchancen einen ähnlichen Charakter aufweisen wie Innovationen. In den Definitionen und in der Integration in Organisationen existieren grundsätzliche Unterschiede zwischen Innovationen bzw. dem Innovationsmanagement und Projektchancen bzw. dem Projektchancenmanagement. Als Innovation ist nach Voigt eine Invention definiert, die eine nachhaltige (wirtschaftliche) Nutzung beinhaltet [12]. Innovationen werden als wesentliche Treiber für das Entstehen und Scheitern von Unternehmen gesehen. Deshalb ist eine zentrale Herausforderung von Innovationsmanagement die Erzeugung wirtschaftlich erfolgreicher Neuheiten zur Sicherung der zukünftigen Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens [13]. Das Innovationsmanagement ist im Unternehmen somit ganzheitlich ausgerichtet und Innovationen (v. a. völlig neuartige Ideen) werden selbst in Projektform bearbeitet [14]. Das Innovationsmanagement wirkt deshalb nicht nur Abb. 2: Einordnung des Begriffs „Chance“ nach der Theorie (u. a. nach [3]) Abb. 1: Ebenen von Kultur in Anlehnung an Sackmann [2] projektManagementaktuell | AUSGABE 3.2019 STRATEGIE 27 operativ, sondern vor allem auch strategisch. Chancen werden nach DIN 69901-5 definiert als „mögliche positive Abweichungen gegenüber dem Projektplan …“ [11]. Damit ist ein zentraler Unterschied gegenüber Innovationen, dass die Anforderung der Erfindung oder Neuerung nicht zutreffen muss. Der Begriff „Projektchancen“ ist somit weiter gefasst und beinhaltet alle Ideen und Maßnahmen, die einen möglichen positiven Effekt auf ein Projekt haben bzw. das Potenzial besitzen, zur Übererfüllung der Projektziele beizutragen. Projektchancen werden dabei stets in einem Projekt selbst wahrgenommen, bei welchem definierte Ziele und ein definierter Ablauf bereits feststehen. Wird innerhalb eines Projekts die Entscheidung getroffen, eine erkannte Chance umzusetzen, ist dies in der Regel mit einer Projektänderung (Konzepte, Verträge und/ oder Pläne) verbunden [15]. Ein Projektchancenmanagement wirkt deshalb zunächst auf der Projektebene und besitzt im Vergleich zum Innovationsmanagement keinen ausgeprägten strategischen Charakter. Trotz dieser Unterschiede weisen Innovationen und Chancen auch wesentliche ähnliche Eigenschaften auf: Beide haben einen erwarteten Nutzen: Bei Projektchancen soll eine Übererfüllung der Projektziele erreicht werden (u. a. [10]); Innovationen sollen zur Wettbewerbsfähigkeit und Rentabilität von Unternehmen beitragen [13]. Bei beiden ist zum Entscheidungszeitpunkt bzgl. der Verfolgung und Behandlung nicht sicher, ob sich ein zukünftiger Erfolg einstellt (u. a. [11, 16]). Beide benötigen Kreativität, damit sie identifiziert bzw. entwickelt werden können [8, 12]. Beide benötigen initiatives Verhalten mindestens einer Person und ein Einwirken auf zukünftige Entwicklungen, damit sie zum einen behandelt und zum anderen die Erfolgswahrscheinlichkeiten erhöht werden [16, 17]. Werden sowohl Projektchancen als auch Innovationen (begriffen als alternative Handlungsmöglichkeiten) nicht weiterverfolgt, ist dies (zunächst) nicht direkt mit Kosten verbunden. Kosten entstehen hierbei in Form von Opportunitätskosten, d. h. entgangenem Nutzen [18]. 3 Zusammenhang zwischen Innovationsfähigkeit und kulturellen Merkmalen In der Fachliteratur existieren Veröffentlichungen, die den Zusammenhang zwischen kulturellen Merkmalen und Ausprägungen auf nationaler Ebene und der Innovationsfähigkeit bereits untersucht haben. In (3.3) wird deshalb auf eine 2016 veröffentlichte Untersuchung näher eingegangen, die als umfassend und relativ aktuell eingeordnet werden kann. Da in Bezug auf die Innovationsfähigkeit mittlerweile aktuellere Daten vorliegen, wird in (3.4) geprüft, ob im Vergleich zu den Ergebnissen von 2016 signifikante Differenzen existieren. In beiden Fällen werden die gleichen Quellen für die Datengrundlage verwendet, die in (3.1) und (3.2) näher beschrieben werden: Für die Abbildung der kulturellen Merkmale und Ausprägungen wird das Modell von Hofstede herangezogen, für die Abbildung der Innovationsfähigkeit der Global Innovation Index (GII). 3.1 Das Kulturmodell nach Hofstede In der Literatur finden sich verschiedene Modelle, die zum Ziel haben, kulturelle Unterschiede mithilfe von Kulturdimensionen zu bestimmen. Als Beispiele seien das Kulturmodell nach Lewis oder die GLOBE-Studie genannt. Das bekannteste Beispiel ist allerdings das Modell von Geert Hofstede [19]. Als Grundlage seines Modells dient eine von ihm durchgeführte Befragung zwischen 1967 und 1973, bei der 11.600 Mitarbeiter des Konzerns IBM teilnahmen, die in über 72 Niederlassungen in 40 verschiedenen Ländern verteilt tätig waren. Ziel seiner Befragung war es, mittels Fragebogen herauszufinden, wie sich kulturelle Normen und Werte auf die Unternehmensführung in den jeweiligen Nationen auswirken. Darauf aufbauend entwickelte er vier Dimensionen, welche die Ausprägungen einer Kultur widerspiegeln sollten. Seine Forschungen wurden stetig um weitere Nationen und Dimensionen erweitert und werden gegenwärtig noch immer als Grundlage von verschiedenen Studien und Untersuchungen zur Messung der nationalen Kultur herangezogen, woraus die Aktualität abgeleitet werden kann. Aktuell können Kulturen in sechs Dimensionen, jeweils auf einer Skala von 0 bis 100, charakterisiert werden [19]. Diese werden im Folgenden kurz vorgestellt [19, 20, 21]: Machtdistanz (Power Distance Index - PDI): Die Machtdistanz in einer Kultur beschreibt die Akzeptanz von ungleich verteilter Macht innerhalb einer Organisation oder Gesellschaft. Eine hohe Machtdistanz fördert das Bilden von strengen Hierarchien und einem eher autoritären Führungsstil der Vorgesetzten. Diese Verhältnisse werden toleriert und sogar als legitim betrachtet. Bei niedriger Machtdistanz werden Hierarchien kritisch hinterfragt. Mitarbeiter werden in Entscheidungsprozesse miteinbezogen. Ihre Meinungen und Einschätzungen werden bewusst eingefordert. Unsicherheitsvermeidung (Uncertainty Avoidance Index - UAI): Als Unsicherheitsvermeidung wird das Maß bezeichnet, in dem Unsicherheiten von Mitgliedern einer Kultur als Bedrohung empfunden werden. Bei hoher Unsicherheitsvermeidung wird durch Regeln und Vorschriften versucht, einen Zustand der Sicherheit herzustellen. Bei schwacher Ausprägung dieser Dimension werden Unsicherheiten von den Mitgliedern einer solchen Kultur optimistisch betrachtet. Abweichungen von Plänen werden akzeptiert und rufen keinen Stress hervor. Individuen sind experimentier- und risikofreudig. Individualismus und Kollektivismus (Individualism Versus Collectivism - IDV): Individualismus wird in der Kulturdimension nach Hofstede als Eigeninteresse und Drang zur Selbstverwirklichung definiert. Dabei stellt sie das Gegenstück zum Kollektivismus, dem Drang zur Integration in einer Gruppe, dar. Stark ausgebildeter Individualismus führt dazu, soziale Beziehungen zweckorientiert zu betrachten. Wohingegen bei Kollektivisten das „Wir-Gefühl“ in den Vordergrund rückt. Fürsorge und Zwischenmenschlichkeit werden einem selbstbestimmten Leben übergeordnet. Maskulinität und Femininität (Masculinity Versus Femininity - MAS): Diese Dimension beschreibt den Stellenwert materieller Güter und des Leistungsprinzips. In maskulinen Kulturen werden Konflikte offen angesprochen und ausgetragen. Konkurrenz gilt als treibender Faktor. Dominanz, Anerkennung und berufliche Karriere sind erstrebenswert. Feminine Menschen schätzen Zusammenarbeit und Solidarität. Konflikte werden lieber umgangen, um Harmonie beizubehalten. Lang- und kurzzeitige Orientierung (Long- Term Orientation - LTO): Mit dieser Dimension wird der Stellenwert von langfristiger Planung gemessen. Bei hohen Werten werden Ziele und Vorgehensweisen über lange Perioden hinaus geplant. Die Pläne werden beharrlich verfolgt. Für die Zukunft wird vorgesorgt und gespart. Kurzfristig orientierte Menschen projektManagementaktuell | AUSGABE 3.2019 28 STRATEGIE Global Innovation Index Innovation Efficiency Ratio Innovation Input Sub-Index Innovation Output Sub-Index Human Capital and Research Infrastructure Market Sophistication Business Sophistication Knowledge and Technology Outputs Creative Outputs Institutions hingegen sind auf die Gegenwart fokussiert. Schnelle Gewinne und sofortige Bedürfnisbefriedigung sind wichtiger als die Vorsorge. Da Pläne eine weniger starke Bindung haben, kann flexibel auf sich ändernde Umstände reagiert werden. Nachgiebigkeit und Beherrschung (Indulgence Versus Restraint - IND): Nachgiebigkeit wurde erst 2010 von Hofstede als Kulturdimension hinzugefügt [19]. Zuvor hatte sein Forschungskollege Michael Minkov diesen Aspekt entwickelt. Nachgiebige Menschen gehen Wünschen und Impulsen hinterher, anstatt sich selbst zu kontrollieren. 3.2 Der Global Innovation Index - GII In dem Versuch, nationale Kennzahlen zu erheben, existieren verschiedene Indizes, die einen Bezug zu Innovationen aufweisen. Als Beispiele seien an dieser Stelle der „Global Competitiveness Index“ und der „Global Entrepreneurship Monitor“ genannt. Für die betrachteten Untersuchungen wird der Global Innovation Index (GII) herangezogen, der das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen der Cornell University, IN- SEAD und der World Intellectual Property Organization (WIPO) ist. Im GII wird seit 2007 jährlich die Innovationsleistung von Volkswirtschaften bewertet. Der Index setzt sich aus zwei verschiedenen Sub-Indizes zusammen: dem „Innovation Input Sub-Index“ und dem „Innovation Output Sub-Index“. Diese setzen sich aus unterschiedlichen Clustern zusammen, die sich wiederum jeweils aus Unterkategorien zusammensetzen. Für die Untersuchungen werden, wie in Abbildung 3 farblich dargestellt, der Innovation Output Sub-Index mit den Clustern „Knowledge and Technology Outputs“ sowie „Creative Outputs“ herangezogen. Der „Innovation Output Sub-Index“ gibt Aufschluss über innovative Aktivitäten in der jeweiligen Volkswirtschaft [22]. 3.3 Bereits existierende Untersuchungen In der Fachliteratur existieren einige Veröffentlichungen, die den Zusammenhang zwischen Innovationsleistung und kulturellen Ausprägungen zum Thema haben. Im Folgenden werden die wesentlichen Erkenntnisse aus der Arbeit von Prim et al. (2017) [23] vorgestellt, die von den Autoren als aktuell und umfassend betrachtet wird: In dieser Untersuchung wurden Werte aus den bereits erläuterten Kulturdimensionen nach Hofstede und dem Innovation Output Sub-Index des GII als Sekundärdaten herangezogen, um eine Regressionsanalyse durchzuführen. Die Werte aus dem GII stammen dabei aus dem Bericht von 2016 und lagen für 128 Länder vor. Bei den Kulturdimensionen nach Hofstede lagen Werte von 94 Ländern vor. Da für 20 Länder nicht in jeder Dimension ein Wert existierte, wurden diese aus der Untersuchung eliminiert. Somit verblieben für die Untersuchung 74 Staaten. Sowohl der GII als auch jede Kulturdimension des Modells nach Hofstede besitzen eine Skala von 0 bis 100. Für die Untersuchung wurde eine Multiple Regression durchgeführt, die die Abhängigkeit einer abhängigen Variablen (jeweils die beiden Cluster des Innovation Output Sub-Index) von mehreren unabhängigen Variablen (Kulturdimensionen nach Hofstede) untersucht. Anhand der Ergebnisse der Multiplen Regression lässt sich feststellen, welchen Beitrag jede Kulturdimension zu den Innovationsergebnissen leistet. Tabelle 1 zeigt das Ergebnis der Multiplen Regression mit den Korrelationskoeffizienten für jede unabhängige Variable in Bezug zur abhängigen Variablen. Für die Untersuchung wurde ein Signifikanzniveau von 0,05 gewählt. Anhand des p-Werts kann festgestellt werden, ob der Einfluss auf die beiden Zielvariablen signifikant ist [24]. Auswertung: Die Dimensionen „Individualismus“, „Langzeitorientierung“ und „Nachgiebigkeit“ korrelieren jeweils signifikant positiv mit den Innovationsergebnissen (beide Cluster). Dies deutet darauf hin, dass mehr kreative und innovative Leistungen (ausgedrückt durch den GII) entstehen, je größer der Individualismus, die Langzeitorientierung sowie die Nachgiebigkeit einer Nation ausgeprägt sind. Die Dimensionen „Machtdistanz“ und „Unsicherheitsvermeidung“ korrelieren negativ mit den Innovationsergebnissen (beide Cluster), aber es besteht jeweils nur für ein Cluster ein signifikanter Zusammenhang. Die Dimension „Maskulinität und Femininität“ korreliert unterschiedlich zu den beiden Clustern. Während Maskulinität signifikant negativ mit dem Cluster „Creative Outputs“ korreliert, korreliert die Dimension positiv, aber nicht signifikant, mit dem Cluster „Knowledge and Technology Outputs“. 3.4 Prüfung anhand aktueller Daten Da zwischenzeitlich aktuellere Daten bzgl. des GII und des „Innovation Output Sub-Index“ exis- Abb. 3: Zusammensetzung des Global Innovation Index [22] projektManagementaktuell | AUSGABE 3.2019 STRATEGIE 29