PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Mit Projekt-Governance den Klimawandel meistern
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Dirk Meyer
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Mit Projekt-Governance den Klimawandel meistern I. Der Klimawandel, Möglichkeiten seiner Begrenzung und der Umgang mit seinen Folgen beherrschen die aktuelle politische Debatte mehr als je zuvor. Alle Parteien bemühen sich seit der Europawahl und den historisch einmaligen Gewinnen für die Grünen um ein konsistentes Programm zum Thema. Bis auf die AfD stellt keine Partei die wissenschaftsbasierten Fakten infrage. Auch in den zeitlichen CO 2 -Zielmarken 2030 und 2050 ist man sich einig, ein erneutes Verfehlen wie die 2020er- Marke wird nicht mehr akzeptiert, weder in den Parteien noch in der Mehrheit der Gesellschaft, wie stabile Umfragewerte zeigen. Man erwartet engagiertes Handeln der Regierenden. Zugleich zeigt sich immer deutlicher, dass die Herausforderung des Klimawandels weit mehr ist als ein „klassisches“ Politikfeld, das inhaltlich-analytisch abschichtbar und damit weitgehend isoliert betrachtet lösbar ist, wie etwa die Verkehrssicherheit oder eine Düngemittelverordnung. Vielmehr schält sich heraus, dass Klimawandel und Digitalisierung zwei globale Treiber sind, die die Grundlagen unseres bisherigen Arbeitens, Produzierens, Lebens, Wohnens, Konsumierens, Mobilseins etc. umstürzend verändern - und damit keineswegs auf dem bisher üblichen Weg gouvernementaler Prozesse bearbeitet werden können. Aus der politisch-inhaltlichen folgt damit auch eine grundlegend methoden- und prozessspezifische Herausforderung. Ist diese Aufgabe schon groß genug und bedarf der Anstrengung mehrerer Generationen, erschwert das globale Wachstum populistischer Parteien und Bewegungen Letzteres zusätzlich. Diese stellen nicht nur die Faktenbasis infrage, sie verändern den politischen und medialen Diskurs (verunmöglichen ihn mithin) und es eint sie die Ablehnung multilateraler Vereinbarungen sowie die Diskreditierung bisheriger politischer Eliten. Einer der Gründe für ihr bislang ungebrochenes Anwachsen liegt in sich vertiefenden sozialökonomischen Lebenslagen, die in den vergangenen Jahren ebenfalls weltweit gewachsen sind. Vor dem Hintergrund der notwendigen Dekarbonisierung unseres Lebens sowie der disruptiven Folgen der Digitalisierung dürften sich die Spannungen und innergesellschaftlichen Verteilungskämpfe eher vergrößern - und stellen auch aus diesem Grund gewohnte demokratische Aushandlungsprozesse auf eine harte Probe. So oder so, ein „Weiter so! “ ist weder politisch noch prozessoral Erfolg versprechend. Für die Gesellschaft für Projektmanagement bedeutet dies, dass ihr Ansatz neue Aktualität gewinnt und zugleich aktuelle Antworten auf die o. g. tektonischen Verschiebungen finden muss. Ohne sich mit Verweis auf das aktuelle Buzzword „Agilität“ herauszureden, bleibt es dabei: Antworten finden sich nur aus der Praxis, aus dem Ausprobieren und Beginnen, aus dem Definieren und Erproben siloübergreifender Projekte, in jedem Fall von weit mehr Kollaboration als über Jahrzehnte gelebt. Bei positivem Blick auf die Herausforderungen könnte man von einem Momentum für Politik und GPM sprechen. II. Ich will drei Annäherungsversuche starten, von denen ich überzeugt bin, dass sie uns in diesem agilen Prozess voranbringen. Sie stehen unter folgenden Überschriften: Vision und Kompass - oder wissen, wohin. Transformation - oder wissen: Wie geht’s zu den Zielen? Transformative Reisegruppen - oder: Diese Fähigkeiten brauchen wir. 1. Vision und Kompass - oder wissen, wohin. Gegenwärtig wird insbesondere der Bundesregierung immer wieder unterstellt, sie handele nicht, jedenfalls nicht schnell genug, ganz besonders eklatant sei dies in der Klimapolitik. Alle Daten und Fakten lägen vor. Nun müsse einfach gehandelt werden. Dass sich dabei ein Umweltministerium mit seinem Klimaschutzgesetz naturgemäß gestärkt sieht, wenn beispielsweise Fridays for Future oder Science for Future zu schnellerem Handeln auffordern, versteht sich. Zugleich steckt der Teufel im Detail, wie die aktuelle Diskussion um die Bepreisung des CO 2 zeigt. Aus einem anfänglich ärgerlichen „Denkverbot“ ist nun ein Basar an Ideen entstanden, der zeigt: Die Begrenzung des Klimawandels als herausragende Arbeit dieses Jahrhunderts kann kreative Kraft entfalten. Ihr Diskurs darüber ist (auch) Teil des Handelns, der auf die Entscheidung in Kabinett und Bundestag hinwirkt - und sollte nicht als überflüssiges Reden abgewertet werden. Insofern sollten Politik, Verwaltung, Wissenschaften und Zivilgesellschaft jeden Tag darüber reden, wie wir (! ) den Klimawandel begrenzen und wie wir leben wollen. Denn genau daran mangelt es vielfach in den technokratisch verkürzten und für Nichtexperten kaum nachzuvollziehenden Debatten. Bleiben wir beim Beispiel der CO 2 -Bepreisung: In wenigen Tagen werden sich vermutlich viele Menschen gedanklich aus der Debatte verabschieden, weil sie die fein ziselierten Unterschiede zwischen den Modellen nicht mehr nachvollziehen oder gar bewerten können. Dass es aber Sinn macht, ein schädliches Gas sukzessive teuer zu machen, damit Ingenieurinnen und Ingenieure Autos, Stahlproduktion oder Heizungen ohne CO 2 entwickeln, gerät aus dem Blick. Die Gefahr ist groß, da sich Bepreisungen individuell niederschlagen, das Thema zu „verhetzen“ (etwa durch ständigen Verweis auf die „Gelbwesten“) oder wichtige Partner bei der Gestaltung zu verlieren. Schließlich lösen die Verteuerung des CO 2 und die Dekarbonisierung etwa der automobilen Antriebstechnologien eine Transformation der Schlüsselindustrie aus, die strukturpolitisch begleitet werden muss. Fair, wie die IG Metall auf ihrer Großstadtdemonstration mit 50.000 Menschen eindrucksvoll eingefordert hat. Aktionsprogramm Mit Projekten Deutschlands Zukunft gestalten Projektmanagement Aktionsprogramm Mit Projekten Deutschlands Zukunft gestalten Projektmanagement Autor: Dirk Meyer projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 POLITIK UND GESELLSCHAFT 55 Kurzum, Diskursivität mit stetem Blick auf die Gesamtgeschichte ist zwingend notwendig, um eine breit getragene Projektkultur für die Begrenzung des Klimawandels zu erzeugen, bei der alle politischen und gesellschaftlichen Gruppen mitwirken können sollen. Erst dieser stetig wiederholte Kompass eröffnet den Blick auf die Vision, auf das Bild unserer Zukunft. Etwa: Welche Mobilität genau wünschen wir uns in den Städten oder in den ländlichen Regionen? Was lehrt uns das Beispiel Kopenhagen? Was hat das weitgehend autofreie Leben in der Stadt lebenswerter gemacht? Wie ist es der Schweiz gelungen, auch die Fläche verlässlich mit der Schiene zu erreichen? Um nur einen Politiksektor herauszugreifen. Ein solcher Zugang zu Themen und in populistischen Zeiten macht es sichtbar und verdeutlicht: Wir gestalten Zukunft. Wir wollen gestalten. Wir können es. Und wir tun es. Und darüber reden wir unentwegt. Das ist unsere Antwort auf populistische Verdrehungen und Anfeindungen. 2 Transformation - oder wissen: Wie geht’s zu den Zielen? Die Wege zu den Zielen müssen wir uns hart erarbeiten. Den Königsweg, das lehrt die Geschichte, gibt es nicht. Und je komplexer die Probleme sind, desto wichtiger ist es, eingeschlagene Wege immer wieder auf ihre richtige Richtung hin zu überprüfen. Genau hier fängt neue Projektgovernance an. Wenn das oben Gesagte richtig ist, wenn wir also das Schlagwort von der Industrie 4.0 ebenso ernst nehmen wie das von der Jahrhundertaufgabe, ein treibhausgasneutrales Leben bis 2050 zu erreichen, dann ist es äußerst zweifelhaft, mit den bisherigen Methoden der Problemlösung Erfolge zu erzielen. Eine industrielle Revolution managt sich nicht mit Managementstrukturen aus der analogen Zeit. Und die grundstürzenden Veränderungen, die sich aus der Dekarbonisierung des Lebens ergeben, indem sie eine fast drei Jahrhunderte gewachsene und noch immer auf stetes Wachstum ausgerichtete Ökonomie in ihrem Kern herausfordern, erfordern auch administrativ tief greifende Veränderungen - allzumal da der Änderungszeitraum bis 2050 äußerst knapp ist und die Beharrungskräfte äußerst stark sind, geht es doch vielfach um ökonomisches Leben und Überleben (die sowohl von der Digitalisierung als auch von der Dekarbonisierung gleichermaßen unter Druck geratene Automobilindustrie demonstriert täglich, was es heißt, sich in nur wenigen Jahren neu erfinden zu müssen). Ergo brauchen wir neben dem Kompass gleich mehrere Landkarten, die übereinandergelegt zum Ziel führen und uns immer wieder Alternativrouten aufzeigen, die wir an Haltepunkten auf der Reiseroute überprüfen und entscheiden müssen. Was heißt das konkret? Die Geschwindigkeit der Prozesse, sowohl im Hinblick auf die Anpassung von Geschäftsmodellen im digitalen Zeitalter als auch bei der Dekarbonisierung etwa ganzer Branchen, muss sich in Arbeitsformen abbilden, die weit über herkömmliche Projektstrukturen hinausreichen. Nicht zuletzt darin liegen die Chance und das o. g. Momentum der GPM: Unterstützung zu leisten, wo gänzlich neue Formen zur Lösungsproduktion führen. In den Wissenschaften, in den Digitalunternehmen, aber eben auch in Unternehmen, die sich neu erfinden müssen, zeigt sich: Denken und Arbeiten in Zuständigkeitssilos müssen aufgebrochen werden, kollaborative Prozesse (wie wir sie aus der Projektarbeit kennen) sind das Mittel und der Weg, neue Wege bei der Problemlösung zu denken und auszuprobieren. Am sinnfälligsten wird dies, wenn Einzelbüros „aufgebrochen“ und mit ihnen singuläre Arbeitsprozesse dekonstruiert und in Großraumbüros mit diversen Kollaborationsmodulen transparent restrukturiert werden. Die öffentliche Verwaltung inklusive der Ministerien ist daran bislang kaum gewöhnt. Auch wenn man ihr andere Grundlogiken unterstellen muss, Politik und politisch Administration sind nun einmal kein Unternehmen, so zeigt sich doch: Veränderung tut deshalb not, weil herkömmliche (Silo-)Verwaltung revolutionäre Veränderungen managen muss. Wenn wir, um beim o. g. Beispiel der Mobilität zu bleiben, unter Klimaschutz nicht nur die Elektrifizierung und Elektronifizierung unserer Autos verstehen, wir also viele eigene Kopenhagens (und Schweizer Bahnen) entwickeln müssen, dann sind bei dieser Transformation so viele Ressorts gefragt, aktiv gestaltend zu wirken, dass neue Kollaborationsformen erprobt werden müssen. Überdies gilt das auch für die Entscheidungsfindungsprozesse innerhalb der Ressorts, weshalb Denkfabriken und Hub-Räume oder Hackathons erst der Anfang sind. Die Digitalisierung der Verwaltung kann dabei sicher helfen, ist sie doch eine Ermöglicherin kollaborativer Arbeitsformen. Zugleich zeigt jedes Unternehmensbeispiel: Nicht Techniken erzeugen aus sich heraus neue Zugänge zur Problemlösung, erst wenn die Leitungsebenen einer Institution geschlossen und aktiv hinter diesen Prozessen stehen, Agilität zulassen, steigen die Erfolgschancen. Im Hinblick auf das Klimaschutzgesetz des Bundes lässt sich im Ansatz erkennen, wie das Modell des Klimakabinetts in der o. g. Richtung unterwegs ist. Jedes CO 2 -kritische Politikfeld muss sich seine eigenen Landkarten erarbeiten, die übereinandergelegt zum 1,5-Grad-Ziel führen. Die Energiewirtschaft hat dies gerade mit der Kohlekommission getan: Bis spätestens 2038 verzichtet die Energieerzeugung in Deutschland auf Kohle. Nach dem Ende der atomaren Stromerzeugung bis 2022 folgt nun das planbare Ende Kohleverstromung. Im mühseligen Erarbeiten klima- und strukturpolitischer Kompromisse ist so ein nationaler Konsens erreicht worden. Im Umweltministerium als zweitem federführendem Ressort gab es dazu eine agil arbeitende Projektgruppe, die über vier Abteilungen hinweg die Arbeit der Kommission vorbereitet und begleitet hat. Sie kann zur Blaupause für weitere Großvorhaben werden. Jetzt arbeiten die Sektoren Verkehr, Landwirtschaft, Gebäude und Industrie an ihren Landkarten. Sie müssen ihre Maßnahmen und Beiträge erarbeiten und benennen, die auf die Ziele 2030 CO 2 -Reduktion einzahlen. Der Kompass für das Gesamtprojekt liegt im Klimakabinett. Hier bündeln sich die Teilbereiche und müssen ausgehandelt werden, um noch in diesem Jahr auch parlamentarisch entscheidungsreif gemacht werden zu können. 3 Transformative Reisegruppen - oder: Diese Fähigkeiten brauchen wir. Ausrüstung allein, das weiß jede Reisegruppe, reicht nicht, um ans Ziel zu kommen. Kondition und Einstellung der Reisenden sind mindestens ebenso wichtig wie grundlegende Kompetenzen. Die o. g. neuen Formen kollaborativer Problemlösung erfordern ein breites Spektrum an Fähigkeiten. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen jederzeit mitdenken, das kollektive Ziel im Blick haben und ans Ganze denken, Nebenmann und Nebenfrau unterhaken, kollaborativ denken und handeln, sich flexibel auf neue Anforderungen einstellen können, sich aktiv einbringen wollen, Entscheidungen und Regeln respektieren können. Klimapolitisch bedeutet das: Als komplexe und systemische Herausforderung braucht der administrativ unterstützte Klimaschutz: - Systemische Lösungsansätze Zum Beispiel schaffen Gebäudewirtschaft und Elektromobilität zusammen Modelle für Ladein- Aktionsprogramm Mit Projekten Deutschlands Zukunft gestalten Projektmanagement Aktionsprogramm Mit Projekten Deutschlands Zukunft gestalten Projektmanagement projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 56 POLITIK UND GESELLSCHAFT frastrukturen; Stadtplanung und Mobilitätsanbieter schaffen deutsche Kopenhagens usw. - Das Zusammenwirken der Ebenen Zum Beispiel wird die Rolle der Kommunen und Regionen entscheidend; über ihre Stadtwerke oder Mobilitätsunternehmen etwa sind sie unmittelbare Akteure der Energie- und Mobilitätswende. Ergo müssen sie ertüchtigt handeln können, brauchen genügend Planerinnen und Planer und personelle Strukturen. - Neben technologischen Lösungswegen sind die sozialen Implikationen gleichrangig zu wägen und in die Lösungswege einzubauen, konkret: Ohne Zukunftsperspektiven in der transformierten Mobilitätswirtschaft etwa wird es keine demokratischen Mehrheiten geben. Es müssen Umwelt- und Strukturpolitik wie beim Ausstieg aus der Kohle zusammenwirken, wir brauchen die Expertise von Gewerkschaften und Umweltorganisationen gleichermaßen. So zu denken und zu handeln ist vielfach eingefordert, aber selten in der real existierenden Welt von Politik und Administration eingelöst worden. Im Gegenteil: Die neoliberale Phase war nicht zuletzt eine Phase kultureller Verwüstung. Immer weiter weg vom systemischen, kollaborativen Denken und Handeln in der Schule, Hochschule, Verwaltung und Wirtschaft und hin zur Perfektionierung der Leistungen des Einzelnen. Es verlangen inzwischen auch Unternehmen, die sich agil aufstellen, dass andere als die bisherigen Kompetenzen gelehrt und positiv sanktioniert werden müssen. Die anstehenden Transformationen erfordern agile Arbeitsformen, Belohnungs- und Anreizsysteme für Kooperation, Weiterbildung auf allen Ebenen, Starterprojekte, transdisziplinäre Zugänge zu Problemen und Lösungen, Allianzen der Willigen, kurzum: Viel mehr Modelle von Transformationsgovernance und -kultur nach der agilen Methode von „Bauen/ Entwickeln - Messen - Lernen - Bauen - Messen usw.“ sind nötig, auch und gerade in den die Transformationen unterstützenden öffentlichen Verwaltungen. III. Das Bundesumweltministerium versucht, den genannten Herausforderungen gerecht zu werden, ist aber ebenso wie die meisten anderen Ressorts auch noch am Anfang des Weges. Zwei Beispiele mögen illustrieren, wo wir glauben, Projektgovernance und -kultur in Zeiten des Klimawandels zu organisieren. 1. Auf dem Weg zu einer umweltgerechten Digitalagenda hat das BMU quer über das Ministerium und seinen Geschäftsbereich hinweg einen transdisziplinären Erarbeitungsprozess angestoßen. Vor gut einem Jahr gab es keinen strukturierten Arbeitszusammenhang, der Umwelt- und Naturschutz vor dem Hintergrund der Digitalisierung reflektiert hat. Das hat sich grundlegend gewandelt. Heute gibt es, nicht zuletzt durch das Gutachten des WBGU (Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung zur Begutachtung Globaler Umweltfragen), die Erkenntnis, dass ohne eine umweltgerechte Gestaltung die Digitalisierung zum Brandbeschleuniger von Klimawandel und Ressourcenverbrauch wird. Zwar war es zunächst die Schaffung eines zentralen Referates, das klassischerweise Prozesse angestoßen hat, um die Thematiken von Nachhaltigkeit und Digitalisierung zu verbinden. Allerdings hatte und hat dieses Referat alle Freiheiten (und die Unterstützung der Hausleitung), die Durchdringung der Themen des Hauses voranzutreiben. Dabei stand und steht nicht der langfristige Monumentalplan im Vordergrund, sondern die agile Suche nach den richtigen Hebeln unter Einbeziehung aller auch außerhalb des Ressorts agierenden Stakeholder. Inzwischen verfügt das BMU über einen Chief Digital Officer, angesiedelt in der Z-Abteilung, um die hausinterne Verwaltungsdigitalisierung und die umweltgerechte Gestaltung der Digitalisierung kontextual zu koordinieren. Bestandteil der hausinternen Digitalagenda ist die Schaffung neuer kollaborativer Werkstätten. Überdies hat die Leitung des BMU entschieden, die informelle Ratspräsidentschaft der Umweltminister unter das Thema Digitalisierung und Nachhaltigkeit zu stellen. 2. Die Kohlekommission war eine transdisziplinäre Veranstaltung, deren Wert bislang noch zu wenig geschätzt wird. Umweltschutzverbände und Gewerkschaften haben zum Teil erstmals miteinander geredet. Das Zusammendenken von Klimaschutz und sozialer Gerechtigkeit war keine Attitüde, sondern ernsthafter Wille beider Beteiligten. Beschlossen wurde im KONSENS nach langem Ringen. Und wer sich heute die Eckpunkte des Strukturstärkungsgesetzes anschaut, sieht: So kann Just Transition aussehen. Ob und wie sie zur Blaupause für Strukturveränderungen etwa in der Automobilindustrie wird, kann heute noch nicht beantwortet werden. Indes konnte gezeigt werden, dass und wie die bislang widerstreitenden Interessen betroffener Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie des Klimaschutzes in Einklang gebracht werden könnten und nun als legitim betrachtet werden. Insofern darf die Demonstration der IG Metall zur fairen Transformation indirekt auch als Ergebnis dieser Kommission betrachtet werden. IV. Projekt- und Governancekultur findet im Kontext statt. Daher zum Abschluss noch eine kritische Reflexion. Wenn die o. g. Größe der transformativen Herausforderungen stimmt und weitaus kollaborativere Formen der Lösungsfindung bei allen Akteuren verlangt, dann müssen sich klassische und neue Medien fragen, mit welchen Resonanzräumen sie dies begleiten. Wie passt dazu das bislang vorherrschende mediale Geschäftsmodell, das auf individuelle Triumphe und Niederlagen abgestellt ist? Welchen Resonanzraum bietet es Politikerinnen und Politikern, die etwa nach transparenten und beteiligungsorientierten Verfahren Entscheidungen treffen, und welchen ihren Gegnern? Wie begleitet und ggf. goutiert bzw. wie kritisiert man agile Entscheidungsprozesse, die viel schwerer von außen zu messen sind und wie ein Hin und Her wirken können? Wie muss der notwendige Resonanzraum überhaupt aussehen? Fragen, die sich nicht nur aus Transformationsherausforderungen und neuen Projektkulturen ableiten, die aber virulent sind, seit sich Politik und Administration in veränderten Resonanzräumen bewegen. Ihre Antworten zahlen wie die Fähigkeit der Verwaltungen, sich den disruptiven Herausforderungen der Dekarbonisierung sowie der Digitalisierung zu stellen, ein auf die Handlungsfähigkeit demokratischer Institutionen. Die GPM kann ihren Beitrag leisten, insbesondere Verwaltungen darin zu unterstützen, diese Fähigkeiten zu stärken. Autor Dirk Meyer, geb. 1965, Studium der Geschichte in Bielefeld und Cork/ Irland, von 1996 bis 2018 in der Landesverwaltung NRW, zuletzt Abteilungsleiter im NRW-Wissenschaftsministerium, seit 2018 Abteilungsleiter im BMU. Aktionsprogramm Mit Projekten Deutschlands Zukunft gestalten Projektmanagement Aktionsprogramm Mit Projekten Deutschlands Zukunft gestalten Projektmanagement projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 POLITIK UND GESELLSCHAFT 57
