PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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2019
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Fragen an Iris Scheel
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2019
Oliver Steeger
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Viele entwickeln das Thema Marketing oder Lobbying für ihr Projekt schrittweise … Offen gesagt, dies halte ich für ungünstig. Versuchen Sie, die verschiedenen Gruppen und Kanäle von Anfang an in ihrer Gesamtheit zu betrachten. Anderenfalls kann es sein, dass Sie auf eine wichtige Gruppe erst dann aufmerksam werden, wenn es zu spät ist und diese Gruppe sich vergessen fühlt. Also von Anfang an: Wer sind die Entscheider, wer die Stakeholder? Welche Rollen und Verbindungen haben diese Gruppen, welche Ziele und Motivationen haben sie? Wie können Sie ihnen Brücken bauen, im Sinne Ihres Projekts zu entscheiden? Ich habe immer versucht, mich in fachfremde Beteiligte und ihre jeweilige Rolle hineinzuversetzen. Das ist zu Beginn viel Arbeit. Am Anfang wird das Projekt ja auch technisch aufgesetzt. Da ist man vielfach mit anderen Aufgaben beschäftigt … Das ist der Grund, weshalb ich Hilfe von außen empfehle, also externe Experten, die sich damit auskennen. Diese Experten sollten von Anfang an dabei sein. Also nicht herbeirufen, wenn sich bereits Schwierigkeiten beim Marketing zeigen; auch Experten brauchen ja Zeit, sich in ein Projekt einzuarbeiten. Was für den Projektleiter wichtig ist: Er muss dafür Ressourcen freistellen. Er muss sich überlegen, wie er Laien für sein Projekt gewinnen und begeistern kann, ohne allzu technische Argumentationen. Technische Details werden draußen häufig nicht verstanden. Die Frage ist also, wie er die Details adressatengerecht aufbereiten kann. Zur Vorbereitung von Gremiensitzungen haben wir im Team Testläufe gemacht, also richtige Proben: Sind wir wirklich gut für den Dialog mit Entscheidern oder Stakeholdern aufgestellt? Das kostet sehr viel Zeit, aber ich denke, dass man sich die Zeit nehmen muss und dass sie gut investiert ist. Diese Art von Kommunikation liegt nicht jedem technischen Projektmanager … Ich habe mich, als ich vor diesen Aufgaben stand, ein Stück weit aus meiner Komfortzone herausbewegen müssen. Es wird immer seltener, dass wir Projektmanager beispielsweise ein Gebäude mitten auf die grüne Wiese bauen und wie unter Frau Scheel, Sie sind heute als Spartenleiterin im Managementboard der Hamburg Port Authority (HPA) tätig. Sie leiten keine Projekte mehr. Dennoch spielt Projektmanagement für Sie nach wie vor eine Rolle. Wie integrieren Sie Projektmanagement in Ihre strategischen Managementaufgaben? Viele der Maßnahmen, die ich initiiere, haben Projektcharakter. Die Werkzeuge, die ich als Projektleiterin benutzt habe, verwende ich heute auch - etwa, wenn ich Aufgaben formuliere. Der Nutzen von Projektmanagement zeigt sich meiner Ansicht nach in der Zielorientierung. Die Werkzeuge zwingen dazu, ein klares Ziel in einer klaren Zeit zu definieren. Besonders die Fokussierung auf Termine tut einer Organisation wie der HPA gut. Die Werkzeuge des Projektmanagements verwenden Sie heute also auch außerhalb von Projekten? Natürlich! Ich war mit diesen Werkzeugen erfolgreich als Projektleiterin. Da liegt es nahe, sie auch für andere Aufgaben zu adaptieren. Ich habe in meinem Projekt beispielsweise gelernt, Nichtprojektziele zu definieren. Nichtprojektziele? Was ist damit gemeint? Es geht um die Frage, was durch eine Maßnahme ausdrücklich nicht erreicht werden soll: Wie und wo grenzen wir die Maßnahme ab? Wir sprechen über das, was nicht Ziel unseres Projekts ist; dadurch können wir uns auf das fokussieren, was wir wirklich erreichen wollen. Sie kennen Projekte zum einen aus der Innensicht als Projektleiterin, zum anderen auch aus der Sicht als Managerin. Welche Empfehlungen geben Sie jungen Projektmanagern? Themen wie Führung und Teambuilding sind wichtig. In meinem Projekt „Cruise Center Steinwerder“ habe ich darüber hinaus gelernt, wie bedeutsam das Verkaufen des Projekts nach außen ist. Darauf sollten Projektmanager unbedingt achten und sich dafür auch Hilfe von außen holen. Investieren Sie Zeit und Ressourcen in die Umfeldanalyse für Ihr Projekt, in die Vorbereitung von Sitzungen der Lenkungsausschüsse oder von Gesprächen mit Stakeholdern. einer Käseglocke vor uns hinarbeiten, ohne dass sich jemand dafür interessiert. Projekte werden immer politischer mit allen Höhen und Tiefen. Mit allen Höhen und Tiefen? Was meinen Sie damit genau? Tiefen hat man, wenn man etwa vor dem Lenkungsausschuss auf ein Thema oder eine Frage nicht vorbereitet ist. Man fühlt sich entlarvt. Dies hat mir persönlich am meisten zu schaffen gemacht. Doch es gab auch viele Höhen, wenn wir nach guter Vorbereitung Entscheidungen im Sinne des Projekts erwirken konnten. Das ist ein Hochgefühl! Diese Vermarktung kostet viel Zeit. Projektmanager müssen deshalb immer mehr technische Detailarbeit an ihr Team abgeben ... Das ist richtig. Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, meinen Mitarbeitern Raum zum Entscheiden zu geben. Ermutigen Sie Ihr Team, seine Aufgabe auch als unternehmerische Aufgabe zu sehen. Signalisieren Sie ihm, dass Sie seinen Entscheidungen vertrauen. Damit entlasten Sie nicht nur Ihr Team, sondern auch sich selbst. Dafür müssen Projektmanager loslassen können. Wie schwierig ist dies? Loslassen heißt nicht, dass Sie sich überhaupt nicht mehr mit technischen Details befassen und die Rolle des Experten völlig hinter sich lassen. Ich bin immer so weit an technischen Themen drangeblieben, dass ich jederzeit den Faden wieder aufnehmen, an Fachdiskussionen teilnehmen oder Fragen meiner Mitarbeiter diskutieren konnte. Also ein eher kontrolliertes Loslassen? Kontrolliertes Loslassen, das ist ein gutes Wort. Es macht Freude zu sehen, wie Mitarbeiter Verantwortung übernehmen, Entscheidungen sorgfältig fällen oder eigene Vorschläge machen. Sie wachsen immer weiter in diese Rolle hinein, trauen sich dann auch größere Aufgaben zu, beispielsweise etwas zu präsentieren. Dies zu beobachten ist für mich sehr befriedigend und bedeutet für mich eine unglaubliche Entlastung. Autor: Oliver Steeger Fragen an Iris Scheel projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2019 20 REPORT
