eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 30/5

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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2019
305 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

400 Teilnehmer auf dem PMO Tag der GPM

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Oliver Steeger
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Der Psychologe und Coach Louis Lewitan sprach über Menschen, die zu leisen Tönen kaum fähig scheinen: emotionale Analphabeten. Foto: Oliver Steeger Über die Arbeit - und über leise Töne 400 Teilnehmer auf dem PMO Tag der GPM Kleine Schritte und leise Töne bringen weiter. Die Welt verändert sich enorm; ein gutes zwischenmenschliches Klima hilft, die Herausforderungen zu bewältigen. Zu diesem Fazit kamen die 400 Teilnehmer auf dem diesjährigen PMO Tag 2019. PMOs werden immer mehr zu Treibern der digitalen Transformation - und dies führt zu einem Wandel der Arbeitswelt. Von „New Work“ ist zunehmend die Rede, neuen Formen der Organisation, Kooperation und Kommunikation in Projekten. „Damit verbunden ist auch die Frage, wie wir künftig mit Menschen umgehen, wie wir sie mitnehmen und führen werden“, erklärte GPM Präsident Professor Helmut Klausing bei der Eröffnung des eintägigen Fachkongresses. „Es geht um mehr als nur um Tools“, sagte Astrid Beger, Leiterin des Fachbeirats des PMO Tags, „im Miteinander und in der Menschlichkeit liegen die Chancen für die Zukunft der Arbeit.“ Diese leisen Töne waren das Thema des neunten PMO Tags, der führenden deutschsprachigen PMO-Veranstaltung. Die Teilnehmer sammelten Best Practices und nutzten das offene Veranstaltungsformat zum intensiven Netzwerken. Neben drei markanten Keynotes bot der Kongress ein Dutzend Vorträge, Workshops und Diskussionsrunden. Passend zum Motto „Über die Arbeit und die leisen Töne“ standen die vier Streams unter den Stichwörtern „New PMO“, „New Work“, „Sounds of Performance“ und „Sounds of Silence“. Emotionale Analphabeten - mit diesem starken Wort nahm sich der Psychologe und Coach Louis Lewitan eine Gruppe von Managern vor, die zu leisen Tönen kaum fähig scheinen. Er meinte die „Macher“, jene Sorte Führungskraft, die viel in Bewegung setzt, aber kaum Menschen mitzunehmen vermag. Emotionale Analphabeten definieren sich über ihre Arbeit sowie ihre Stärke. Sie neigen zur Selbstüberschätzung und haben selten ihr eigenes Verhalten im Blick (wohl aber das anderer Menschen). Sie reden nicht über Emotionen. Sie halten Monologe, verhalten sich rigide und haben Angst, sich „einzulassen“ und Nähe zu gestatten. Ihr Prinzip: „Mitarbeiter unter Druck setzen - damit am Ende viel herauskommt.“ Erstaunlich häufig sind emotionale Analphabeten mit dieser Strategie erfolgreich. Die Schwierigkeit aber ist: Bei immer mehr Projekten, die neben Innovationen auch Veränderungen hervorbringen, werden emotionale Analphabeten zum Risiko. Sie sind kaum fähig, sich mit Menschen auf Augenhöhe auszutauschen, andere zu begreifen, mit anderen in Verbindung zu kommen und gemeinsam Lösungen zu gestalten. „Vor allem im Changemanagement ist kaum ein Projekt statisch“, sagte Louis Lewitan, „diese Vorhaben bringen Veränderungen mit sich. Wir können aber nichts erfolgreich verändern, wenn wir nicht die Auswirkungen auf andere begreifen.“ Was empfiehlt der Diplom-Psychologe aus München? Die Liste war umfangreich: sich psychologisches Wissen aneignen, Mitarbeiter begreifen lernen, Mitarbeitern Orientierung geben und Anerkennung zollen, Entscheidungen mutig fällen, Klartext sprechen, mit Sinn für Humor führen, auf sich selbst achten (und sich nicht zu Tode schuften). Vor allem einen Irrglauben sollten emotionale Analphabeten hinter sich lassen: dass sie Mitarbeiter durch Gehalt motivieren und steuern kön- Isabella Schweiger identifizierte Themengebiete, die für agiles Arbeiten in virtuellen Teams von Interesse sind: overall scrum event adaptability, daily scrum, coordination mechanism, communication style, standards and guidelines, member continuity and role maturity, role distribution and adaption sowie agile mindset. Auch führte sie in jeweils drei nationalen und internationalen Projekten Interviews mit den Entwicklern, Product Ownern und Scrum Mastern durch - also den typischen Scrum-Rollen. Daraus entwickelte sie einen Unternehmensleitfaden mit 15 Punkten, der erfolgreiches virtuelles Scrum Team Management unterstützt. „Die Arbeit greift ein Thema von aktuell hoher Relevanz auf“, urteilt die Jury und lobte den für eine Bachelorarbeit hochwertigen wissenschaftlichen Stil. „Es werden interessante Erkenntnisse zu dem berechtigten Anliegen abgeleitet, agile Konzepte stärker im Kontext virtueller Teams anzuwenden.“ Autor: Oliver Steeger projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2019 NACHRICHTEN 67 nen. „Mitarbeiter suchen immer häufiger Sinn in der Arbeit und wollen stolz sein auf das, was sie schaffen“, sagte er. Wie Behörden Agilität und leise Töne zusammenbringen - dies erklärte Werner Motzet von der Bundesagentur für Arbeit. Er stellte ein agiles IT-Großprojekt der Behörde vor, ein sich über elf Jahre erstreckendes Vorhaben, das 160.000 Mitarbeiter und über 40 Schnittstellen betrifft. Bei diesem Projekt ging die Bundesagentur für Arbeit völlig neue Wege - und lernte viel über agiles, selbst organisiertes Arbeiten und New Work. Werner Motzet sprach vor allem über „Soft factors“, über die leisen Töne, die das Behördenprojekt prägten. Er stellte die Erfolgsfaktoren vor, etwa vertrauensbildende Transparenz, regelmäßige Feedbackschleifen, eine Vision und die daraus abgeleitete Mission sowie eine schlanke Organisation. Wichtig zudem ist eine fruchtbare Lernkultur, die auch Umwege, Sackgassen und Fehler erlaubt. Mit verblüffender Experimentierfreude wagte die Behörde in diesem Projekt Neues. Beispielsweise strich sie die regulären, häufig zeitraubenden Meetings - und stellte fest, dass sich die Kommu- Werner Motzet von der Bundesagentur für Arbeit stellte ein agiles IT-Großprojekt der Behörde vor, das 160.000 Mitarbeiter und über 40 Schnittstellen betrifft. Foto: Oliver Steeger Die preisgekrönte Unternehmerin Sina Trinkwalder gab den Zuhörern mit auf den Weg: „Vertrauen muss man schenken, dann kommt es als Verantwortung zurück.“ Foto: Oliver Steeger nikation trotzdem erfolgreich entwickelte. Doch bei allem gilt: Führungskräfte sollten agile Tugenden vorleben statt nur zu predigen. „Neugier wecken, Lust auf Neues machen, Angebote schaffen statt Pflicht einfordern“, so formulierte Werner Motzet diesen Punkt. Denn die agile Haltung lasse sich weder anordnen noch mit Druck erzwingen. Nach dem Vortrag stand Werner Motzet mit seinem Kollegen Dr. Roland Deinzer in einer „Nahaufnahme“ Rede und Antwort. Dabei handelte es sich um ein neues Veranstaltungsformat, eine bewusst kleine Runde, die eine spannende Diskussion zwischen Teilnehmern und Referenten ermöglicht. Bei der Nahaufnahme ging es beispielsweise um die Fragen, inwieweit agile Projektmanager und „New-Work-Propheten“ versäumen, den Rest ihrer Organisation mitzunehmen - und ob es sich beim hybriden Projektmanagement um ein Allheilmittel oder eher um einen faulen Kompromiss handelt. „Die Welt zu retten muss Spaß machen, sonst macht es niemand“, mit diesem Satz leitete die preisgekrönte Unternehmerin Sina Trinkwalder ihren Keynote-Vortrag ein. Es ging ihr um soziales Unternehmertum, darum, etwas Neues, Sinnvolles zu wagen. Genau dies ist ihr persönlicher Weg: Früh auf sich allein gestellt wurde Sina Trinkwalder Werberin und führte eine erfolgreiche Agentur. Als Unternehmerin aber fühlte sie, wie sehr sie in der Filterblase des Erfolgs und der Erfolgreichen lebte. Dann kam die „Stecknadel“, die diese Filterblase zum Platzen brachte. Auf dem Hauptbahnhof in Wuppertal kam sie mit einem Obdachlosen ins Gespräch. Diese Begegnung berührte sie tief; sie trieb sie dazu, die Zelte hinter sich abzubrechen und mit einem neuen Unternehmen zu starten, das etwas Sinnvolles zur Gesellschaft beiträgt. Heute beschäftigt sie in ihrem neuen Unternehmen manomama ausschließlich Menschen, die auf dem ersten Arbeitsmarkt keine Chance mehr haben. „Alles hat sich verändert, als ich beschlossen habe, nicht mehr erfolgreich zu sein, sondern wertvoll“, erklärte sie die Konsequenzen, die sich aus ihrem Ausstieg aus der Leistungsgesellschaft ergaben. Sie gibt denen Hoffnung und Heimat, die in dieser Leistungsgesellschaft - aus welchen Gründen auch immer - keinen Platz finden konnten. Die „leisen Töne“ in der Arbeitswelt ansprechend, gab sie den Teilnehmern mit auf den Weg: „Vertrauen muss man schenken, dann kommt es als Verantwortung zurück.“ Ihre Quintessenz aus ihren Erfahrungen: „Der größte Change muss bei einem selbst passieren.“ Autor: Oliver Steeger projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2019 68 NACHRICHTEN